Das Weiße Haus hat das Office of Social Innovation and Civic Participation eingerichtet. Die Europäische Kommission die Plattform Social Innovation Europe auf den Weg gebracht, und das BMBF fördert Studien zu sozialen Innovationen in Deutschland – da scheint Musik drin zu sein.

Wer aus dem Stand soziale Innovation erklären, womöglich sogar definieren kann, sitzt entweder an einem Schreibtisch in einer Universität oder in einer der hippen Bars am Maybachufer in Berlin-Neukölln und überlegt, wie gleichzeitig die Welt verbessert und dies finanziert werden kann. Denn diese Überlegung verbindet all jene Akteure, vom Weißen Haus, über die EU Kommission, bis hin zur Neuköllner Kneipe, die soziale Innovationen anstoßen, dazu forschen, oder sie anderweitig gesellschaftlich fördern: Welche Innovationen werden für eine bessere Gesellschaft gebraucht und wie können sich diese Innovationen selbstständig tragen?

Damit ist die Abgrenzung zu technischen Innovationen auch schon geschehen. Denn im Gegensatz zum World Wide Web, was eine Folge mehrerer technischer Innovationen ist und erstmal in neutralem Gewand erscheint, kommen soziale Innovationen per se der Gesellschaft zugute. Sie bieten neue Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, die effektiver, effizienter und umwelt- wie auch sozialverträglicher sind, als bestehende.

Soziale Innovationen – Wie jetzt?

Soziale Innovationen sind irgendwann gute Ideen. Diese Ideen kommen einem, wenn man auf Probleme stößt, die mit traditionellen Steuerungs- und Problemlösungsroutinen nicht, oder nur ineffizient gelöst werden können. Oder wenn aufgrund technischen Fortschritts neue soziale Praktiken entwickelt werden (müssen) – Homeoffice ist plötzlich möglich, wie findet dieses Konzept Eingang in die Arbeitswelt?

In einem zweiten Schritt werden diese Ideen am Markt getestet, es kommt also zur Konfrontation der Idee mit der Realität. Falls die Idee dies überlebt und im kleinen Kreis Zustimmung signalisiert wird, das Produkt, der Prozess, das Geschäftsmodell also wirklich effizienter und effektiver gesellschaftliches Zusammenleben strukturiert – sowohl der Arbeiternehmer wie auch sein Chef mit dem Homeoffice -Modell zufriedener sind als vorher – geht es um die Verbreitung der Idee. Und Verbreitung meint hier das Groß-Machen der Idee, über den kleinen Kreis von Freunden und Verwandten, oder des eigenen kleinen Unternehmens hinaus. Also Mitstreiter zu finden, eine veritable Menge an Menschen und Institutionen, die diese effiziente und effektive Idee ebenfalls für notwendig halten, und sie deshalb selbst anwenden.

Die Verbreitung kann, und das ist dann der mögliche dritte Schritt, zu einer systemischen Veränderung des gesamtgesellschaftliche Zusammenlebens führen. Die Idee wird in dieser Phase als gegeben gesehen, sie wird relativ unhinterfragt angewendet, da es im Moment die beste Lösung für eine Herausforderung ist, bzw. der Nutzen für alle Beteiligten am größten ist. Ein sehr utilitaristisches und deshalb gerne gewähltes Konzept. Um bei dem Homeoffice-Beispiel zu bleiben: Es kommt zu einer gesetzlichen Verankerung des Anspruchs auf Homeoffice, oder zumindest der überwiegende Teil von Unternehmen bieten dieses Arbeitsmodell an.

Digitale soziale Innovationen

Eine Sonderform von sozialen Innovationen sind digitale soziale Innovationen (DSI). Solche Innovationen, die aufgrund der Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt entstehen, bzw. die weltweite Vernetzung der Idee basal zugrunde liegt:

„a type of social and collaborative innovation in which innovators, users and communities collaborate using digital technologies to co-create knowledge and solutions for a wide range of social needs and at a scale and speed that was unimaginable before the rise of the internet”. (Europäische Kommission 2015: Growing a digital social innovation ecosystem for Europe, hier Online verfügbar.)

Die Bereiche die DSI verändern wird, können derzeit nur abgeschätzt werden. Formen von Open Democracy brechen mit traditionellen Demokratieverständnissen durch die direktere Beteiligung von mehr Menschen an der „Herrschaft des Volkes“. Die Shared Economy kann vor allem durch die großflächige Vernetzung ihr Sharing-Potenzial ausschöpfen, und die intendierten- wie unintendierten Folgen von Open Access-Projekten sind qua Definition bei Gründung schon eingepreist.

Und nun?

Wie der Leser sicherlich schon bemerkt hat, handelt es sich bei dem Begriff der sozialen Innovation also um ein Konzept, welches noch in seinen Kinderschuhen steckt. Aber neue gesellschaftliche Herausforderungen bedürfen, frei nach Albert Einstein, neuer Lösungen, und soziale Innovationen geben dabei ein Instrument an die Hand, mit dem  – so begrifflich dehnbar wie es ist – auch Neues gedacht, entwickelt und ausprobiert werden kann. Allein dies sollte als Begründung reichen, um dieser Thematik vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken.

Was kann in diesem Feld alles noch erreicht werden? Wo liegen Potenziale wie auch Hemmnisse? Und welche Rolle können Unternehmen als Inkubatoren und Förderer spielen? Die Zukunft wird Antworten geben, in Brüssel, in Washington und in Neukölln.

 

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