„Es fühlt sich an, als würden wir derzeit eine neue Welt der Arbeit schaffen – wir haben es in der Hand wie unsere Kinder zukünftig arbeiten werden“,

so erklärte es vor kurzem ein Personalleiter beim DGFP-Erfahrungsaustauschtreffen. Unter dem Thema „Arbeit 4.0 – agiles Management“ tagten 15 Personalverantwortliche in einer unserer insgesamt rund 100 Erfahrungsaustauschgruppen. Ein Agendapunkt der dem einen Teilnehmer pure Freude bereitet, dem nächsten wiederum schon zum Hals heraus hängt – ist die Diskussion darüber derzeit doch auch irgendwie allgegenwärtig.

Ob „agiles Arbeiten“, „Arbeiten 4.0“, oder „New Work“

– eines haben alle Begriffe gemeinsam: Sie sind noch nicht final definiert. Vielleicht ist es genau das, was die Themen so anziehend macht und sie uns derzeit auch aus allen möglichen Blickwinkeln bestaunen lässt.

Ich persönlich bin ganz bei unserem Teilnehmer, den ich soeben zitiert habe, die Art und Weise wie wir zukünftig arbeiten werden wird derzeit neu gebaut und konstruiert. Sie wird entworfen durch die Digitalisierung, durch neue Formen der Kollaboration und natürlich durch neue rechtliche Aspekte, die derzeit die Politik umtreiben und den kommenden Wahlkampf sicherlich befeuern werden.

Die Arbeit wird transparenter und die Rolle von HR geht mehr und mehr über die Unternehmensgrenzen hinaus. Neben Jahrestagungen und Fach-Messen nehmen auch Formate wie etwa MOOCs (Massive Open Online Course) eine immer größere Rolle ein, bei denen Wissen geteilt wird, bei denen man von anderen Umsetzungen partizipieren kann und diese auch kritisch hinterfragen darf. Hier beginnt agiles Arbeiten bereits.

„Bei der Arbeit darf wieder gespielt werden, geforscht und getestet“,

so eine weitere Teilnehmerin der Erfahrungsaustauschgruppe. Dabei erhalten agile Arbeitsformen wie Scrum, Kanban und weitere Projektmanagementformen Einzug in Firmen, die seit jeher mit klaren Hierarchien arbeiten, deren Kultur sich nun erstmals danach ausrichten muss nicht mehr den gewohnten Weg zu gehen, sondern in direkter Absprache eine sofortige Entscheidung zu verlangen und umsetzbar zu machen. Dabei geht man auch das ein oder andere Mal den falschen Weg und dreht entsprechend schnell ab auf neue Wege, ohne sich zu lange mit dem Fehler und dessen Grund an sich zu beschäftigen.

Die Fehlerkultur ist Zentrum des Handelns – sie bringt die Neugierde mit sich. Alles ist ausgerichtet auf den Kunden/ die Kundin, deren Sicht und deren Belange – das zwingt uns den Blickwinkel zu ändern und unsere Arbeit auch aus anderen Perspektiven zu betrachten.

Die Kommunikation wird aufgebrochen, Zuständigkeitsbereiche und Hierarchien ausgesetzt. Ziel ist es schnell(er) zu sein, reagieren – besser noch agieren – zu können, sich ständig an neue Gegebenheiten anpassen zu können, denn die Digitalisierung treibt alle Bereiche voran und das in einem rasanten Tempo. Der Wettbewerb reagiert, also muss auch unsere Arbeitsweise revolutioniert werden um mithalten zu können, besser noch um zu antizipieren.

Es klingt beinahe anstrengend und planlos agil zu arbeiten, genau das soll es nicht sein

An dieser Stelle zitiere ich gerne aus unserem DGFP//Praxispapier „Agile Unternehmen, agiles Personalmanagement“ (DGFP e.V., 2016). Dort werden Unternehmen von damals mit den heutigen, wie das Bild eines Monolithen zu dem einer Sanddüne verglichen. Dieser Vergleich aus dem Praxispapier soll zeigen, dass ursprüngliche Unternehmen klare Strukturen von langer Lebensdauer haben und klare Grenzen aufzeigen – Monolithen eben. Die Sanddüne hingegen ist flexibel, passt sich den Widrigkeiten an und vermeidet so Korrosion, indem sie sich im richtigen Winkel zum Wind stellt. Verharrt sie zu lange in einer Position, wird sie abgetragen, sie löst sich mit der Zeit auf.

Bei einem Vortrag zu dem Thema sprach mich eine Teilnehmerin aus dem Publikum bei der anschließenden Podiumsdiskussion darauf an, denn eine Sanddüne würde „getrieben und gelenkt“ werden und das wäre nicht denkbar als zukünftige Arbeitsform. Ich war dankbar für diesen Input, denn er zeigt wo die Bedenken liegen beim Blick auf neue Arbeitsformen: keine Ruhe, keine Rast, kein Innehalten oder planvolles Vorgehen, sondern ständige Hetze und Anpassungen die von Extern vorangetrieben werden. Hier gilt es entgegen zu steuern und auch die Führungskräfte in ihrer neuen Rolle zu bestärken.

Agil zu arbeiten hat durchaus seine Konstanten,

seine Anker und natürlich auch übergeordnete Ziele, aber die Art des Bewegens ändert sich. Man ist weniger Individuum in einem Unternehmens-Gesamtkonstrukt, als ein Teil eines Teams,  in dem man sich fortan bewegt und seinen individuellen Teil zu dessen Beitrag leistet. Dabei sind die Teams flexibel, gestalten ihre Meetings nach klaren Vorgaben und verlieren ihr Ziel nicht aus den Augen, während sie sich auf dem Weg zum Ziel immer wieder an den neuen Gegebenheiten ausrichten. Man geht nicht erst die ganze Strecke, um dann im Nachhinein zu justieren und nachzubessern. Dies geschieht während des Prozesses.

Es gibt keine „one fits all“ – Lösung

Wichtig dabei ist, dass jedes Unternehmen für sich selbst seinen Weg finden muss um agil arbeiten zu können – es gibt keine „one fits all“ – Lösung, die sich ein Unternehmen überzieht und ab sofort agil arbeitet. Ob Scrum, Kanban oder andere Möglichkeiten seine Prozesse zu organisieren – wichtig ist, dass das Unternehmen seinen Weg findet, seinen individuellen Prozess, dass es seine Kultur dabei berücksichtigt und diese Stellschraube langsam dreht. Die Führungskräfte sind  Coaches, Enabler, die Partizipation ermöglichen, das Gesamte im Auge behalten und die grobe Richtung vorgeben.

Agile Arbeitsweisen eignen sich natürlich nicht in allen Bereichen. Hauptsächlich Marktumfelder, die sich schnell verändern, profitieren von den neuen Arbeitsformen. Aber auch klassische effizienzorientierte Arbeitsforen werden weiterhin Bestand haben müssen und im großen und ganzen Unternehmensumfeld ihren Beitrag leisten. Hier ist vor allem die Rolle von HR gefragt, um die Bereiche miteinander zu verknüpfen und auch kompatibel zu machen. Wichtig ist das Zusammenspiel von schnell-beweglich, reagierend -flexibel mit den festen Bindegliedern, die die beweglichen Teams und Innovatoren zusammenhalten und ernähren mit grundlegenden Maßnahmen. Ohne das eine wird das andere nicht lange überleben können.

Wenn wir mit unseren Mitgliedern sprechen, die die Modelle solch hybrider Formen bereits seit längerem leben, so betonen die Personalverantwortlichen vor allem, dass es wichtig ist über die Grenzen hinweg zu schauen – „think outside the box“ – dass die Kultur eine wesentliche Rolle spielt und diese sich nicht von heute auf morgen ändert, dass die Führungskräfte dazu motivieren, aber auch Angst und Vorurteile abbauen müssen. Stück für Stück etablieren sich die ersten agilen Methoden, machen die Kolleginnen und Kollegen neugierig und überzeugen durch Beteiligung und schnelle Umsetzung.

Prozessverbesserung in der Produktion leben

Ein weiterer Teilnehmer im Erfahrungsaustausch erklärte, wie das Unternehmen Prozessverbesserung in der Produktion lebt, dabei geht es nicht nur um eigene Verbesserungen in den Arbeitsabläufen, sondern auch um den Vorteil des Endnutzers – in diesem Falle den Kunden. Dabei wird monatlich die beste Idee bepreist. In den agilen Scrum-Teams arbeiten aus allen Abteilungen Mitarbeiter an Projekten, die dem Kunden das Produkt attraktiver machen und dessen Qualität verbessern. Jeder Mitarbeiter der Firma kann Vorschläge einreichen und so Prozesse in Gang bringen. Diese sind transparent, laden ein zum Mitmachen, zum Identifizieren und dazu einen Beitrag zum Produkterfolg zu leisten. Es wird über Grenzen hinaus gedacht, nicht mehr in Zuständigkeiten oder innerhalb einer Abteilung.

Dadurch zeichnet sich eine große Chance ab für die Arbeit der Zukunft: Unternehmen erfahren eine andere Art der Organisation, weg von der klassischen Hierarchie, hin zur demokratischen Beteiligung am Unternehmenskonstrukt, am Endprodukt, am Markt.

All dies können wir im hier und jetzt mitgestalten – bleiben Sie also agil und bleiben Sie neugierig.

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