Über Zukunft der Arbeit nachzudenken hat eine gewisse Zwangsläufigkeit, die vor allem aber nicht neu ist, weil Arbeit sich ständig wandelt. Was den gegenwärtigen vom bisherigen Wandel unterscheidet, ist in erster Linie die Geschwindigkeit mit der Neuerungen entstehen und daneben, dass der Wandel diesmal nicht nur die Arbeitswelt, sondern zeitgleich auch das Private verändert.

Der digitale Wandel verändert die Art wie wir kommunizieren, schafft digitale Räume in denen wir uns aufhalten und an denen ggf. andere Regeln gelten, als in der nicht-virtuellen Welt. Damit verändert sich, vielleicht deutlicher an einer einzigen Bruchkante als bisher, auch das Soziale und damit auch das Arbeitsfeld und die Aufgaben, denen sich der Bereich der Wohlfahrt stellen muss.

Wandel.Wohlfahrt.Digitalisierung

Als Kompetenzzentren Wandel.Wohlfahrt.Digitalisierung. im DRK, befassen wir uns mit den Fragen und Herausforderungen, die für die Wohlfahrt in der digitalen Transformation entstehen. Wir begleiten die Praxis zum Beispiel bei der Frage, wie die „Arbeit der Zukunft“ oder um ein Schlagwort zu bemühen, #NewWork in der Wohlfahrt aussehen kann.

Eine der größeren Herausforderungen ist sicherlich, die vorhandenen Befürchtungen und Ängste, die bei den Kolleg*innen entstehen, in Neugier, Entdecker*innen- und Gestaltungsgeist umzuwandeln.

Die Bedenken reichen von

  • der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren
    (weil Pflege künftig durch Robotik erledigt wird),
  • über die Befürchtung von innerhalb der Mobilen Pflege,
    (von ihrer Leitung jederzeit getracked und damit auch beim Zwischenstopp beim Bäcker „erwischt“ werden zu können),
  • bis zur Angst vor der Entmenschlichung der Sozialen Arbeit,

um nur einen Teil dieser Bedenken aufzuzeigen.

Digitalisierung verändert die Arbeit in der Wohlfahrt

Wie diese Veränderung aussieht, hängt letztlich von unserer Gestaltungsbereitschaft ab. Diese setzt wiederum voraus, dass wir uns dem Thema und den daraus resultierenden Herausforderungen stellen. Um beim New Work Begriff, geprägt von Frithjoff Bergmann, zu bleiben: Es geht darum, wie es uns gelingt, uns die Arbeit zu erleichtern und hinterher besser arbeiten zu können.

Was dieses „besser“ ist, müssen wir aber selbst erst einmal definieren.

In der Pflege kann das realistischer Weise entweder heißen

  • digitale Transformation entlastet unsere Arbeit,
  • wir gewinnen Zeit (und in der gewonnen Zeit können wir zusätzliche Klient*innen pflegen und damit den Umsatz steigern)

oder es bedeutet,

  • wir gewinnen Zeit und nutzen diese in der Gestaltung unserer Begegnungen mit den Klient*innen: ein Gespräch, ein gemeinsamer Cafe, ein paar hilfreiche Handgriffe in der Wohnung und wir steigern damit die Lebensqualität eines Menschen.

Frithjoff Bergmann zielte mit der Entwicklung des New Work Begriffs eher auf die zweite Option ab. Wie können wir unser Leben unsere Lebensqualität verbessern – für uns in der Wohlfahrt sollte das sowohl für Klient*innen wie auch für Mitarbeiter*innen gelten.

Digitalisierung bedeutet den Verlust des Sozialen…

Kommunikation ist ein Punkt, der oft zitiert wird, um deutlich zu machen, dass Digitalisierung bzw. die Arbeitsformen des New Work einen Verlust des Sozialen bedeuten.

Wenn Kommunikation nur noch, oder zumindest zu einem wesentlichen Teil, per Mail oder Chat stattfindet, bleibt dann die persönliche Begegnung nicht auf der Strecke? Was ist, wenn Dienstberatungen und Übergaben reduziert werden können?

Als Kompetenzzentren stehen wir vor dieser besonderen Herausforderung. Als Gesamtteam an den Standorten München, Regensburg, Münster, Magdeburg und Berlin verstreut zu sitzen, um vor Ort mit den Landesverbänden intensiver im Kontakt zu sein. Gleichzeitig sind wir aber gefordert, als Team gemeinsam unser Thema und unsere Projekte zu entwickeln, uns gegenseitig zu unterstützen und nicht zuletzt auch für einander zu sorgen, im Alltagsgeschäft nicht als Einzelkämpfer unterzugehen.

Wir brauchen mehr als nur Flurfunk.

Dabei war die erste Frage schon: Wie kann unter diesen Bedingungen überhaupt ein Team entstehen oder geht das gar nicht? Die Antwort gleich vorweg: Es geht! Aber es braucht mehr Sensibilität für einander und die Bereitschaft (neue) Formen zu finden. Sich im Teambildungsprozess kennenzulernen, sich auszutauschen und eine Art „Flurfunk“ zu ermöglichen, ohne den physisch vorhandenen Flur, auf dem man sich beim Gang zur Kaffeemaschine begegnet.

Wenn auf der einen Seite Orte der Begegnung durch den digitalen Wandel wegfallen, wenn Arbeit flexibler wird und sich die gemeinsamen Zeiten in einem Raum verringern, dann müssen neue Räume geschaffen werden, an denen Begegnung stattfinden kann.

In unserem Fall haben wir uns die Zeit zur Erprobung und Reflexion genommen, auch wenn das neben dem anspruchsvollen Tagesgeschäft nicht immer leicht umzusetzen war.

Neben einer wöchentlichen Dienstberatung per Video, gibt es Quartalstreffen, zu denen wir uns an unterschiedlichen Orten, für zwei bis drei Tage, treffen und auch bewusst Zeiten einplanen, uns persönlich zu begegnen, um die Basis für die Zeiten zu verstärken, in denen wir uns nur online begegnen. Für den Arbeitsalltag haben wir uns daneben auf die Suche nach einer Plattform gemacht, die uns ermöglicht gemeinsam an Themen zu arbeiten, Aufgaben gemeinsam (und trotzdem zeitlich unabhängig voneinander) zu planen und zu bearbeiten und auch mit einander auf Chatebene zu kommunizieren.

Letzteres hat ganz oft das Gefühl vermittelt, grad nicht allein zu arbeiten und einfach eine Frage in den Raum stellen zu können und von irgendwoher eine oder auch mehrere Antworten zu bekommen. Als Kompetenzzentren haben wir diesen Gestaltungsraum bewusst genutzt und unsere Erfahrungen und unsere Bedürfnisse immer wieder zur Diskussion gestellt.

Zeiten der Fragezeichen

Das greift in einen anderen Aspekt des New Work im Bereich Wohlfahrt und Soziales.

  • Wie sind wir als Team organisiert,
  • wer entscheidet, was wichtig ist,
  • werden Strukturen vorgegeben oder dürfen Teams ihre eigenen Strukturen erproben und finden?

New Work zielt auch darauf ab, Lebens- und Arbeitswelt besser in Einklang bringen zu können. Viele Hindernisse (Verfügbarkeit von Arbeitsmaterial, Kommunikation, …) der Vergangenheit können inzwischen relativ einfach überwunden werden. Der Ort, an dem ich arbeite ist nicht mehr daran gebunden, dass ich an einem anderem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit sein kann.

Um die Rahmenbedingungen zu gestalten gibt es einen guten Grundsatz, der sich aus der agilen Methodik übertragen lässt:

Es ist jeder anzuhören, den es betrifft und jeder, der durch seine Expertise etwas beitragen kann.

In der Praxis bedeutet das, die Umsetzung von Arbeit mehr in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter*innen zu überführen. Wie gut das gelingen kann, zeigt das oft zitierte Beispiel Buurtzorg aus den Niederlanden, in dem sich Pflegeteams in ihren Arbeitsabläufen selbst organisieren. Aber auch anderen Stellen entstehen neue Tendenzen. Im DRK Kreisverband Wolfenbüttel können Mitarbeiter*innen selbst entscheiden, in welchem Maß sie Homeoffice nutzen und es entsteht ein CoWorking Angebot mit MakerSpace, in dem neue Formen der Arbeit und Bildung erprobt und die eigenen Räume für Kooperationen und Kollaborationen geöffnet werden. Am Schluss zählt das Ergebnis der Arbeit und nicht, wie viel Zeit die Kolleg*innen an ihrem Schreibtisch im Büro gesessen haben.

Die Herausforderungen in der Praxis

New Work bedeutet in der Praxis der Wohlfahrt aber auch neue Herausforderungen, z.B. in der offenen Jugendarbeit. Der Raum für  „aufsuchende Arbeit“ erweitert sich um den virtuellen Raum und verändert damit Arbeits- und Kommunikationsformen. Die Mitarbeiter*innen in der mobilen Arbeit / im Streetwork müssen nicht mehr „nur“ auf der Straße unterwegs sein. Virtuelle Räume gehören längst zur Lebensrealität der Menschen, damit gehören sie auch zum Wirkungsraum einer aufsuchenden Arbeit. Vieles was sich auf der Straße bewährt hat, lässt sich im Netz aber nicht mehr anwenden, die Mitarbeiter*innen müssen also herausfinden und erproben, wie sie im Netz Kontakt aufnehmen, wie Vertraulichkeit gesichert werden kann, wo Grenzen sind und wie Übergange zwischen virtuellem Raum und der Begegnung auf der Straße geschaffen werden können.

Für die Kompetenzzentren Wandel.Wohlfahrt.Digitaliserung. des DRK heißt das gegenwärtig, an vielen Stellen Impulse zu geben. Impulse, dass digitaler Wandel und New Work Möglichkeitsräume sind die es zu gestalten gilt, damit sie zur Arbeitswelt der Mitarbeiter*innen werden. Das bedeutet, Erfahrungen zu ermöglichen, über Bedenken ins Gespräch zu gehen, die Kolleg*innen zu ermutigen und befähigen, sich Herausforderungen zu stellen, um letztlich eine Arbeit der Zukunft zu gestalten, in der es dem DRK gelingt, Menschlichkeit auch in New Work und Digitalisierung erfahrbar zu machen und Arbeitsbedingungen und Lebensqualitäten für alle – Mitarbeiter*innen und Klient*innen – zu verbessern.

 

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