Von Julia Gschwendner, Andrea Naranjo González und Armando García Schmidt
Die Circular Economy hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Leitbild für eine zukunftsfähige Wirtschaft entwickelt. Doch während die politischen und unternehmerischen Debatten stark auf technologische Innovationen und Ressourceneffizienz fokussiert bleiben, gerät eine wesentliche Dimension oft aus dem Blick: die soziale.
In unserer aktuellen Studie „A Systemic Circular Economy Transition in Germany. The Role and Impact of Circular Social Businesses“ richten wir den Fokus auf genau diese Leerstelle. Wir zeigen, dass Circular Economy mehr sein kann als ein technisches Reparaturprogramm – nämlich ein menschenzentrierter Wandel mit systemischer Wirkung. Und wir zeigen, wer diesen Wandel vorantreibt: Circular Social Businesses.
Was sind Circular Social Businesses?
Wir haben 274 zirkuläre Unternehmen in Deutschland untersucht. Ein Drittel von ihnen erfüllt die Kriterien eines Circular Social Business. Diese Unternehmen kombinieren
- ein tragfähiges Geschäftsmodell, das wirtschaftliche Nachhaltigkeit erlaubt, mit
- einem klaren ökologischen Beitrag entlang zirkulärer Strategien wie Reuse, Reduce oder Restore, und mit
- einer sozialen Mission, die nicht Add-On, sondern integraler Bestandteil des Kerngeschäfts ist.

Soziale Wirkung durch zirkuläres Wirtschaften
Ob in der Textilwirtschaft, in der Landwirtschaft oder im Bereich Verpackung: Circular Social Businesses verknüpfen ökologische und soziale Wirkung. Sie gestalten Produkte neu, verändern Konsummuster und schaffen lokale Arbeitsplätze für benachteiligte Gruppen, fördern Bildung und Bewusstseinsbildung oder stärken lokale Wirtschaftskreisläufe. Diese Unternehmen machen vor, wie ein wirtschaftliches Handeln aussehen kann, das sich an planetaren Grenzen orientiert und zugleich gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
Besonders deutlich wird das in den zirkulären Strategien, die sie anwenden. Während viele „klassische“ Circular Startups auf Recycle oder Reduce setzen, wenden Circular Social Businesses überdurchschnittlich oft Strategien mit hohem Veränderungspotenzial an – wie Rethink oder Restore. Sie hinterfragen Konsummuster, gestalten Produkte neu, denken Wirtschaft jenseits von Linearität und Profitmaximierung.
Ein Beispiel: Das Unternehmen Vyld stellt Tampons aus Meeresalgen her – vollständig biologisch abbaubar, gesundheitsfördernd und im Kern des Geschäftsmodells mit Bildungsarbeit zur Menstruationsgesundheit verbunden. Oder LOTTA LUDWIGSON, ein Slow-Fashion-Label, das nicht nur zirkuläre Kleidung entwirft, sondern auch Frauen stärkt – in der Produktion und in der Gesellschaft.
Systemischer Wandel braucht andere Prinzipien
Unsere Analyse zeigt: Wer echten Wandel will, muss anders denken. Circular Social Businesses handeln nach fünf Prinzipien für systemische Wirkung:
- Ursachen angehen statt Symptome lindern
- Verhalten verändern, z. B. durch Bildungsangebote oder soziale Innovation
- Zugang ermöglichen – mit fairen, inklusiven Angeboten
- Zusammenarbeit fördern, durch starke lokale Netzwerke
- Transparenz leben, um Vertrauen zu schaffen

Diese Prinzipien verbinden ökologische mit sozialer Transformation. Circular Economy wird damit nicht nur effizienter, sondern gerechter.
Ein blinder Fleck in der Politik
In politischen Strategien und der öffentlichen Förderlandschaft sind die soziale Dimension und auch Circular Social Businesses dennoch ein blinder Fleck.
Die Ende 2024 verabschiedete Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) nennt zwar soziale Aspekte – jedoch meist nur reaktiv, etwa im Kontext von Arbeitsmarktwandel. Die positive, gestaltende Rolle sozialer Innovation bleibt außen vor.
Auch in Förderprogrammen – vom Bundesministerium für Wirtschaft über EU-Initiativen bis hin zu Landesprogrammen – dominieren technologische Kriterien. Circular Social Businesses sind nie explizit adressiert. Ihre Potenziale für Teilhabe, Bildung oder gemeinwohlorientierte Geschäftsmodelle bleiben unterfinanziert und institutionell unberücksichtigt.
Unser Appell
Wir sind überzeugt: Wenn Circular Economy gelingen soll, braucht es mehr als Effizienz. Es braucht Geschäftsmodelle, die soziale Wirkung bewusst mitdenken – und strukturelle Unterstützung dafür.
Deshalb fordern wir:
- Ein stärkeres politisches Bewusstsein für Circular Social Businesses als Akteure systemischer Veränderung
- Gezielte Förderprogramme, die soziale und ökologische Innovation verbinden
- Neue Formen der öffentlichen Beschaffung, die soziale Wirkung als Vergabekriterium berücksichtigen
- Investitionskriterien, die Impact ganzheitlich messen – ökologisch, ökonomisch und sozial
201 mal gelesen