Mit Low-Code-Plattformen können Experten aus Fachabteilungen einfache Softwareanwendungen ohne tiefergehende Programmierkenntnissen eigenständig umsetzen. Wir erklären die grundlegenden Konzepte hinter Low-Code-Development, deren Beitrag zur nachhaltigen Softwareentwickung in Unternehmen sowie den Einsatz von Low-Code-Development im Rahmen der Entscheidungsunterstützung, um auch einen kleinen Beitrag zur Energiewende und damit zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten zu können.

Wie trägt Low-Code-Development zur Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung bei?

Programmieren mit Low-Code könnte eine Möglichkeit werden, den Fachkräftemangel im IT-Bereich nachhaltig zu adressieren und damit die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Dabei sollen Experten aus Fachabteilungen (sog. “Citizen Developer”) in die Lage versetzt werden, einfachere Softwareanwendungen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen ohne tiefergehende Programmierkenntnisse eigenständig umzusetzen. Das Low-Code-Paradigma kombiniert verschiedene Softwareentwicklungskonzepte, die sich in der Vergangenheit in ähnlicher Form bereits bewährt haben.
Die Verbreitung von Low-Code-Anwendungen ist zuletzt rasant gestiegen, mittlerweile werden über 200 Plattformen für die Low-Code-Entwicklung angeboten. Nach Schätzungen von Forrester und Gartner wird der Markt für Low-Code-Anwendungen in diesem Jahr auf 21 Milliarden US-Dollar anwachsen¹. Gartner prognostiziert außerdem, dass Low-Code-Plattformen bis 2024 an 65% der neu entwickelten Geschäftsapplikationen beteiligt sein werden². Vor dem Hintergrund ist es interessant, sich mit den Vorteilen von Low-Code-Entwicklung zu beschäftigen, aber auch die aktuellen Herausforderungen ehrlich zu benennen.

Vorteile für die nachhaltige Digitalisierung von Geschäftsprozessen

Mithilfe von Entwicklungsumgebungen, die von Fachexperten bedient werden können, besteht das Potential, Kosten und Bereitstellungszeiten von betrieblichen Softwareanwendungen drastisch zu senken und somit schonend mit den Ressourcen der Unternehmen umzugehen. Damit wird ein Lösungsweg aufgezeigt, wie die nachhaltige digitale Transformation in großen Teilen der Wirtschaft trotz mittel- und langfristiger Knappheit von IT-Experten weiter vorangetrieben werden kann. Da für die Arbeit mit Low-Code-Plattformen kaum bis gar keine Programmierkenntnisse notwendig sind, wird der Kreis der potenziellen Nutzer wesentlich erweitert.

Daraus lässt sich folgern, dass mehr und mehr Menschen am Softwareentwicklungsprozess beteiligt werden³, und somit sowohl Fach- als auch Programmier-Experten eine tragende Rolle bei der Erstellung von betrieblichen Anwendungen spielen. Potenziell wird eine Entwicklung vorangetrieben, welche auf die Kompetenzen verschiedener Know-How-Träger im Unternehmen bei der Erstellung  von Software in effizienter Art und Weise zurückgreift. Durch die Digitalisierung langwieriger analoger Prozesse werden zudem Abläufe im Unternehmen nachhaltig verbessert.

Die zukünftige Entwicklung ist noch offen

Aktuelle Veröffentlichungen benennen aber auch offene Probleme und Grenzen der Anwendbarkeit von Low-Code: Bei der Integration von Low-Code-Anwendungen in die bestehende IT-Landschaft wird aufgrund der Komplexität der Schnittstellen zu Drittsystemen kaum ein Unternehmen ohne professionelle Softwareentwickler auskommen. Zudem sind IT-Sicherheitsaspekte, sowie Mechanismen zur Qualitätssicherung bisher nur unzureichend untersucht worden. Fehlende Standards machen es zudem schwierig, zwischen verschiedenen Low-Code-Anbietern zu wechseln. Vor dem Hintergrund eines solchen „Vendor Lock-in“ sind Leitfäden zur Auswahl einer geeigneten Low-Code-Plattform sowie weitere methodische Maßnahmen zur Unterstützung von Citizen Developern notwendig, wie sie unter anderem im Projekt Pro-LowCode⁴ durch ein Konsortium aus Forschungs- und Anwendungspartnern erarbeitet werden.

Low Code fördert das Prinzip der Entscheidungsunterstützung

Digitale Entscheidungsunterstützungssysteme helfen Entscheidungsträgern in Unternehmen und Politik dabei, optimale und nachhaltige Entscheidungen in immer komplizierter werdenden Geschäftsumfeldern zu identifizieren und umzusetzen. Ein konkretes Anwendungsbeispiel für Entscheidungsunterstützungssysteme ist die moderne Energiesystemplanung im Rahmen der Energiewende, bei der die vorgeschlagenen Entscheidungen einen direkten Einfluss auf die ökologische Nachhaltigkeit der Gesellschaft haben. Insbesondere die Planung von regionalen Energieverteilnetzen wird erschwert durch neue Herausforderungen wie die dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien, die steigende Elektrifizierung des Mobilitäts- und Wärmesektors sowie neue Lösungskonzepte wie Sektorkopplung, d.h. der gleichzeitigen Betrachtung des Strom-, Gas- und Wärmenetzes.

Vor dem Hintergrund arbeiteten Partner aus Forschung und Wirtschaft von August 2018 bis Dezember 2021 im Verbundprojekt FlexiEnergy⁵ an einem softwarebasierten Entscheidungsunterstützungssystem (EUS) für die Planung von nachhaltigen regionalen Energieverteil-netzen. Es hängt jedoch immer von einem individuellen Entscheider ab, welche konkreten Anforderungen an die Planungsfunktionalität eines solchen EUS gestellt werden. Die Anforderungen sind zum Beispiel davon abhängig, welche Ziele verfolgt werden (bspw. Kompromiss zwischen Netzstabilität und Kostenminimierung zur Maximierung des Anteils erneuerbarer Energien), welche Lösungskonzepte tatsächlich genutzt werden können (bspw. Verwaltung mehrerer Energienetze als Voraussetzung der Sektorkopplung), welche Daten vorhanden sind (bspw. geographische und zeitliche Auflösung der historischen Energieverbrauchsdaten) oder auch wie viel Zeit und Geld zur Identifikation einer optimalen Entscheidung zur Verfügung steht.

Schlechte Entscheidungen wegen fehlender Anpassbarkeit

Wenn die Entscheidungsunterstützung durch das EUS nicht alle Anforderungen eines Entscheiders berücksichtigen kann, besteht die Gefahr von unzulässigen oder suboptimalen Entscheidungen, die dem Entscheider bzw. dem zugehörigen Unternehmen schaden. Im Fall der Energienetzplanung kann das sogar negative Folgen für die Umwelt und somit auf die Gesellschaft als Ganzes haben: Wenn beispielsweise die vom EUS errechneten Handlungsempfehlungen zum Netzausbau wegen zu großzügig kalkulierter Ausfallsicherheit zu teuer sind, droht die Energiewende aufgrund hoher Kosten zu scheitern. Am Beispiel der Energienetzplanung zeigt sich, dass die Entscheidungsunterstützung eines EUS immer auf die Anforderungen eines individuellen Entscheiders zugeschnitten sein muss. Existierende EUS bieten allerdings häufig nur begrenzte Konfigurationsmöglichkeiten, um eine solche Individualisierung umzusetzen. In dieser Hinsicht sind viele EUS daher aus technischer und ökonomischer Sicht nicht nachhaltig, da eine Erweiterung oder Anpassung des EUS gemäß den Anforderungen eines Entscheiders nur durch den EUS-Entwickler möglich ist, was in der Praxis allerdings häufig am notwendigen Kosten- und Zeitaufwand scheitert.

Die Lösung: Eigenständige EUS-Entwicklung durch Entscheider

Um dennoch die kostengünstige und zeitnahe Erstellung von individualisierten EUS und somit optimale Handlungsempfehlungen zu ermöglichen, schlagen wir den der Abbildung dargestellten Ansatz auf Basis von Low-Code vor, mit dem Entscheider ohne Kenntnisse in der Softwareentwicklung ein angepasstes EUS eigenständig entwickeln können.

© Hier steht eine Quellenangabe.
Abbildung 1: Überblick über ein Entscheidungsunterstützungsökosystem. (Quelle: eigene Abbildung)

Anstelle eines ganzheitlichen EUS werden hier von EUS-Entwicklern und weiteren Dienstleistern über eine Plattform einzelne, kombinierbare EUS-Dienstleistungen angeboten, die Softwarepakete, Datensätze oder technische Infrastruktur umfassen. Diese Dienstleistungen können dann von einem Entscheider gemäß seinen Anforderungen mit einer Low-Code-Plattform ohne signifikante Programmierkenntnisse zusammengefügt werden. Dabei kann er pro Aktivität des Entscheidungsprozesses die Dienstleistungen auswählen, die seinen Anforderungen entsprechen und bezüglich ihrer Schnittstellen zueinander kompatibel sind. Im Beispiel der Energienetzplanung gehören dazu Datenaufbereitung, Lastprognose, Netzsimulation, Netzoptimierung und Ergebnisvisualisierung. Bei der Zusammenstellung von Dienstleistungen können Entscheider von einem Assistenzsystem unterstützt werden. Dieses greift auf Wissen von Domänenexperten oder Nutzerbewertungen von Dienstleistungen zurück, um Best Practices (d. h. erfolgreich erprobte Methoden) bei der Entscheidungsunterstützung für den Anwendungsfall eines Entscheiders berücksichtigen zu können.

Der (ökonomische) Nachhaltigkeitsgedanke von Low-Code wird hier in zweierlei Weise aufgegriffen: Zum einen können die zusammengestellten EUS langfristig gewartet werden, da einzelne Dienstleistungen kurzfristig ohne Programmierkenntnisse von Entscheidern ausgetauscht werden können. Zum anderen ermöglicht das Assistenzsystem eine nachhaltige Vorhaltung von Expertenwissen, sodass die Notwendigkeit von Anpassungen von vornherein reduziert wird.

Den vorgestellten Ansatz, bei dem Entscheider, EUS-Entwickler und Domänenexperten über eine technische Plattform bei der Erstellung von individualisierten EUS kooperieren, bezeichnen wir als „Entscheidungsunterstützungsökosystem“. Die detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Komponenten des Ökosystems inklusive der Low-Code basierten nachhaltigen Zusammenstellung von Dienstleistungen ist noch Gegenstand aktueller Forschung.

Das Projekt FlexiEnergy wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.


[1] John R. Rymer, „The forrester wave: Low-code platforms for business developers Q2 2019“, Forrester Research, 2019.
[2] https://www.salesforce.com/blog/gartner-lcap/
[3] Woo, Marcus. „The rise of no/low code software development—No experience needed?.“ Engineering (Beijing, China) 6.9 (2020): 960.
[4] https://www.its-owl.de/pro-lowcode
[5] Universität Paderborn  –  FlexiEnergy (flexi-energy.de)

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