Mein Name ist Kirsten Bringmann, ich bin 44 Jahre alt und Mutter einer 5-jährigen Tochter. Bereits die Einleitung klingt nach Selbsthilfegruppe. Einerseits. Andererseits: Wer anders als wir Eltern als Gruppe selbst sollte „uns“ denn helfen? Die Frage stellt sich sowohl in Bezug auf das partnerschaftliche Miteinander als auch von Eltern zu Eltern. Ich habe selbst schon diverse Situationen erlebt, in welchen man die Väter in sozialen Belangen nicht ernst nimmt.

Die Umsetzung eines selbstbestimmten Familienlebens

Mein Mann, der sich während seiner Elternzeit für ein „Eltern“-Projekt für eine Krabbel-Gruppe einsetzen wollte, wurde schlicht ignoriert. Es war nicht die Krabbelgruppe unserer Tochter, aber mein Mann hatte Zeit und bot seine Hilfe an. Die Anfang 20jährige Initiatorin sprach mich und ausschließlich mich an, obschon ich in der geplanten Woche weder Zeit noch Talent hatte Möbel zu restaurieren. Selbst nach Weitergabe seiner Kontaktdaten und mehrfachem Hinweis, dass man doch bitte meinen Mann direkt ansprechen möge, hieß „er“ sowohl in der Whats App Gruppe als auch im Mail-Verteiler immer nur „Kirstens Mann“.

Umgekehrt wurde ich selbst des Öfteren als „Rabenmutter“ bezeichnet, u.a. als ich 2014 auf die Idee kam, mal wieder einen zweiwöchigen Sprachkurs in Venedig zu machen, während mein Mann und meine Tochter (natürlich ohne mich) im Urlaub waren. Oder auch nur weil ich während der Elternzeit meines Mannes eine Vollzeit-Fortbildung gemacht habe. Damit erschweren uns Stereotypen in den Köpfen der Mitmenschen die Umsetzung eines selbstbestimmten Familienlebens.

Verena Zimmermann, die die Berufstätigkeit liebt und die das Leben als Vollzeitmutter ebenfalls nicht ausgefüllt hat, sagt über sich selbst: „Früher war ich jung, ausgeschlafen und hatte am Wochenende frei! Heute bin ich Rabenmutter.“ und hat sich selbständig gemacht, da es beim Thema Familienfreundlichkeit auch ihrer Meinung nach an allen Ecken und Enden krankt. „Vieles fällt in Deutschland unter den Tisch, was selbstverständlich sein sollte!“.

Das Vereinbarkeitsthema wird nicht einfacher

Eine sehr entspannte Einstellung hingegen hatte meine Hebamme: „Glückliche Kinder wachsen bei glücklichen Eltern auf. Welcher Entwurf die einzelnen Elternpaare glücklich macht, können nur sie selbst entscheiden.“ Dass es aufgrund der Tatsache, dass Frauen in Deutschland im allgemeinen schlechter entlohnt werden und deshalb meist die Frau zu Gunsten eines besseren Familieneinkommens zurücksteckt (ob sie will oder nicht) und dies zusätzliche innerfamiliäre Konflikte schürt, macht das Vereinbarungsthema nicht einfacher („Gute Gründe gegen Kinder„).

Meine Frage an alle Betroffenen: Wenn wir uns schon nicht gegenseitig zuhören und unterstützen, warum sollten es Arbeitgeber oder der „nicht-betroffene“ Rest der Gesellschaft tun?

Als ich begann diesen Artikel zu verfassen, befand ich mich selbst in einem ausgesprochen frustrierenden Bewerbungsprozess, den sicher viele Eltern, vor allem Mütter, die in Teilzeit arbeiten möchten, kennen. George Monbiot schreibt in seinem Artikel „Alle gegen sich selbst„: „Die Jobsuche grenzt oft genug an eine Nahtoderfahrung, bei der immer verzweifeltere Menschen immer weniger Stellen hinterherjagen.“ Dies gilt umso mehr, wenn man auf der Suche nach „qualifizierten Teilzeitstellen“ ist.

Nachdem ich dann eine sehr interessante und fachbezogene Fortbildung erfolgreich absolviert hatte, aber dennoch keine passende Stelle in Teilzeit gefunden hatte (trotz der Bereitschaft bis zu 30 Wochenstunden zu arbeiten), schlug mir meine Arbeitsvermittlerin vor, nicht nur ein Excel-Kurs, sondern lieber gleich den „Europäischen Computer-Führerschein“ (ECDL – European Computer Driving Licence) bei einem Träger meiner Wahl zu absolvieren.

Unterstützung ist notwendig

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die Dame meinte es ausgesprochen gut mit mir, immerhin suchte ich als Mutter einer noch nicht schulpflichtigen Tochter seit geraumer Zeit eine Teilzeitstelle und sie war bereit mich mit einer zweiten Weiterbildung zu unterstützen. Die wenigen Stellenangebote in Teilzeit, die für meine Fachrichtung so halbwegs in Frage kamen, waren „Marketingassistentin“ oder „Teamassistenz“ und ich gebe gerne zu, mich in HTML und CSS, diversen Content Management Systemen sowie der Adobe Suite weit aus heimischer zu fühlen als im „MS Office Paket“.

Dennoch blieb und bleibt der schale Nachgeschmack, dass die „Agentur für Arbeit“ einige Tausend Euro investiert, um mich als Mutter für Assistenz-Stellen zu „qualifizieren“, deren Ausrichtung mich aber gar nicht interessiert, nur in der Hoffnung, wieder in irgendeine Form von Arbeit integriert werden zu können.

Könnte man dieses Geld nicht deutlich besser anlegen? Warum unterstützen und fördern wir als Gesellschaft nicht Unternehmen, die Jobsharing möglich machen? Ich denke hier an sämtliche Gehaltsstufen und Bereiche bis hin zum gehobenen Management sowie die Vorstandsebenen. In 20 Wochenstunden ist man deutlich produktiver, eine Vertretung im Urlaub oder im Krankheitsfall wäre gewährleistet.

Wenn aber eine Person nicht aufgrund mangelnden Fachwissens oder Qualifikation, sondern „nur“ aufgrund der Tatsache, dass sie einen Teil der Arbeitskraft unser aller Zukunft widmen und dennoch berufstätig bleiben möchte, keine Arbeit findet, geht dies an der Lebensrealität vieler Mütter und Väter schlichtweg vorbei.

Vereinbarkeit – Warum denn nicht?!

Irgendwann hatte ich schlicht keine Lust mehr mir Mühe zu geben, mich auf Vollzeitstellen zu bewerben: Wie individuell ich mich auch auf die Stellenbeschreibungen beworben hatte (meine Skills haben in der Regel zu mindestens 70% auf die Anforderungen der Stellenausschreibungen gepasst): Die Absage kam jeweils postwendend, wenn ich im Anschreiben nach der Möglichkeit nach Teilzeit gefragt hatte.

Also bin ich dazu übergegangen, bei spannenden Stellenausschreibungen bereits im Vorfeld die Abteilungsleitung anzurufen und darzulegen, dass mir die Stelle aus offensichtlichen Gründen wie auf den Leib geschneidert sei und ich riesigen Spaß daran hätte sie auszufüllen. Allerdings könne ich aufgrund Elternschaft nicht in Vollzeit arbeiten, ob auch Jobsharing in Frage käme?

Plötzliche Kompromissbereitschaft

Daraufhin zeigte sich bei einige Firmen plötzlich Kompromissbereitschaft. Sie teilten mir mit, dass sie an „Jobsharing“ gar nicht gedacht hätten und das unter Umständen gerne in Betracht ziehen würden. Plötzlich hatte ich mehrere Vorstellungsgespräche. Bei diesen Gesprächen kam dann oft die Frage: „Bei Ihrer Ausbildung und Qualifikation dürfte es doch gar kein Problem sein eine neue Stelle zu finden – beginnen Sie gerade erst wieder sich zu bewerben?“ Auf meine Antwort, dass das Problem die Tatsache sei, nicht Vollzeit arbeiten möchte und Mutter sei, reagierten die männlichen Gesprächspartner sympathischer Weise meist mit Unverständnis. „Sollte Ihr Kind bettlägerig krank sein, könnten Sie doch heutzutage auch einfach mal von zuhause aus arbeiten!“ Diese waren jedoch ausnahmslos in meinem Alter oder deutlich jünger als ich.

Es ist eine Generation, die selbst die Möglichkeit hat Elternzeit zu nehmen, sodass das Thema Vereinbarkeit nach und nach in die Chefetagen vordringt. Dennoch gibt es nach wie vor viel zu wenige Unternehmen, die sich wie Saxonia Galvanik Gedanken darüber machen, dass Vereinbarkeit auch im wirtschaftlichen Interesse der Unternehmung selbst liegt oder wie der Maschinenbauer SHW Storage & Handling Solutions, der als kleines Unternehmen noch einen Schritt weiter geht und einen Betriebskindergarten einrichtet. Dass meine weiblichen Gesprächspartner hingegen nur wissend nickten, spricht wohl für sich. („Das Märchen von der Vereinbarkeit“ habe ich bei „Mami anders“ gefunden.)

Braucht es für Vereinbarkeit „nur“ einen Generationswechsel?

Auch wenn das Vereinbarkeitsthema immer mehr in den Fokus der Medien rückt. Fakt ist: Es gibt noch viel zu tun. Das Thema ist sehr komplex, schon allein deshalb, weil individuell unterschiedliche Bedürfnisse bestehen. Es gibt gute Ansätze, die aus Sicht der Betroffenen jedoch viel zu wenig vorangetrieben werden. Den Kommentar zu „Ende eines Mythos: Passen Kind und Karriere doch nicht zusammen?“ von Monika Kempf, die nach Belgien ausgewandert ist, halte ich für einen guten Impuls in die richtige Richtung: Abgesehen davon, dass es in Belgien nach ihrer Aussage die Kinderbetreuung sehr viel besser auf Berufstätige ausgerichtet ist, gibt es dort bei Scheidungen das Konzept, dass die Kinder jeweils eine komplette Woche bei der Mutter, danach eine Woche beim Vater verbringen. Ich zitiere Frau Kempf: „Da sich auch in Geschäftsleitungen Menschen scheiden lassen, kann das die Augen öffnen.“

Egal welchen Lebensentwurf Eltern haben: Sie müssen bei der Kindererziehung bzw. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr viel mehr unterstützt werden. Schon allein weil die wenigsten Unternehmen bereit sind, sich dem Vereinbarkeitsthema zu stellen, dürfen auch diejenigen Elternteile, die sich aufgrund dessen oder vor der Geburt ihrer Kinder zur Selbständigkeit entschlossen haben, nicht schlechter dastehen als Angestellte.

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