Krisen erzwingen Wandel, und das manchmal, wie jetzt, brachial und brutal. Sie öffnen aber auch Türen und stellen Weichen für eine bessere Zukunft. So birgt die Corona-Pandemie auch Chancen für unseren Heimatplaneten. Und sie bahnt den Unternehmen die Möglichkeit, von schlechten Gewinnen auf gute Gewinne umzuschalten.

Der Erdüberlastungstag fällt in diesem Jahr auf den 22. August, 2019 war er am 29. Juli. Ab diesem Tag ist das Ressourcenbudget der Natur für das ganze Jahr aufgebraucht. Das heißt, wir leben quasi auf Pump, verbrauchen die Welt unserer Kinder und Enkel. Zudem leben wir auf Kosten der Menschen in Schwellenländern und im globalen Süden, die deutlich weniger verbrauchen, zudem auch stärker von den ökologischen Folgen betroffen sind, aber keinen angemessenen Ausgleich dafür erhalten.

So verbraucht die USA fünf Erden, Deutschland verbraucht drei Erden, Indien nur 0,7 Erden.

In diesem Jahr liegt der Erdüberlastungstag erstmalig später. Die Covid-19-Pandemie hat, bei aller Dramatik, der Umwelt eine klitzekleine Verschnaufpause verschafft. Klar, Corona first, doch die Ökologie darf nicht in den Hintergrund rücken. Ganz im Gegenteil. Auch hier kann jeder Verantwortung mitübernehmen. Als Investor kann man festlegen, wer sein Geld wofür erhält. Als Kunde kann man beschließen, wen man unterstützt – und wen nicht. Jeder profilierte Influencer, der seine Stimme erhebt, kann Dinge verändern. Den wichtigsten Part aber spielen die Unternehmen und ihre Manager.

„Purposeful Organisations“ sind die Gewinner der Zukunft

Die Welt besser machen, ethischer handeln, menschlicher sein? Das wird von so manchem Manager noch immer gern als naiv belächelt. Doch die Notwendigkeit, anders zu wirtschaften als bisher, ist offenkundig. Die Zeiten von Wachstum auf Teufel komm raus und Maximalprofit um jeden Preis sind endgültig vorbei. Denn Tatsache ist:

Das tradierte Wirtschaftssystem bedroht die Lebensgrundlage unseres Heimatplaneten. Und einen zweiten gibt es nicht.

Zukunftsfähige Unternehmen entwickeln sich zu Organismen, die nachweislich auch Verantwortung für das Gemeinwohl tragen. Verstärktes soziales Engagement und ein ernsthaftes Hinterfragen, wie wir mit uns und der Welt umgehen, das wird zum neuen Trend. Unter dem Begriff „Corporate Purpose“ erhält dieser Trend gerade Gestalt. Im Gegensatz zu den selbstherrlichen Leitbildern von früher („Wir sind Marktführer von …, die Nummer eins in …“) beginnt ein zukunftsfähiger Corporate Purpose mit folgender Frage: „Wie wird die Welt ein Stück weit besser, weil es uns gibt?“

Profit und Moral, das schließt sich nicht aus, das gehört vielmehr zusammen. Bereits 1994 hat der britische Autor und Unternehmer John Elkington dafür den Begriff der „Triple Bottom Line“ geprägt, wonach ein Unternehmen neben der ökonomischen auch eine ökologische und eine soziale Bilanz vorlegen muss. Somit impliziert ein guter Corporate Purpose, dass die Unternehmen ihre wirtschaftlichen und technologischen Kräfte ebenfalls dazu nutzen, das Leben der Menschheit zu verbessern und die Natur zu schützen. Und das muss glaubwürdig sein.

Das Erzeugen von Externalitäten: noch immer gängige Praxis

Nur einen einzigen gesellschaftlichen Auftrag habe jedes Unternehmen, schrieb der Ökonom Milton Friedman vor 60 Jahren: seine Profite zu erhöhen. So wurde Profitmaximierung zum alles überstrahlenden Selbstzweck. Durch eine einseitig auf Kapitalperformance ausgerichteten Unternehmensbewertung wird dies weiter begünstigt. Externalitäten sind die traurige Folge. Externalitäten sind unkompensierte Effekte, die auf Bereiche außerhalb des Unternehmens abgewälzt werden und dort erhebliche Schäden anrichten, ohne dafür Verantwortung zu übernehmen.

Wer zum Beispiel, so wie ich, viel in sogenannte Entwicklungsländer reist, der sieht mit eigenen Augen, was westliche Konzerne dort vielfach angerichtet haben. Statt Entwicklung stand vor allem eine systematische Ausbeutung auf dem Programm. Und noch immer werden überall auf der Welt die Kosten für Umweltschäden nicht dem Unternehmen zugerechnet, sondern sind von der öffentlichen Hand zu tragen. Oder einfacher gesagt: Die Gewinne werden privatisiert und kommen nur einigen wenigen zugute, die Schäden hingegen werden vergesellschaftet und in die Zukunft verlagert.

So wird Profit auf Kosten Dritter oder des Allgemeinwohls erzielt, oft auf dem Rücken der Ärmsten und Schwächsten. Denken wir nur an Kinderarbeit, an moderne Sklaverei, erschütternde Produktionsbedingungen, das Plastikdesaster, den Pestizidwahnsinn, das Palmöldrama, die Elektroschrottberge, die Giftmülldeponien, die Massentierhaltung, das Artensterben, die systematische Abholzung und Plünderung von Bodenschätzen, die Abermillionen von Toten durch Umweltsünden.

Die großen Digitalkonzerne machen es auf andere Weise übrigens auch nicht viel besser: Sie betreiben Raubbau an den Daten der Menschen. Und sie haben neue Externalitäten erzeugt: Hasspostings, Fake News, Gewaltverherrlichung, Kinderpornografie, Datenklau, Börsenmanipulationen, Wahlbetrug, Cybermobbing, Cyberverbrechen. Das ist die „Umweltverschmutzung“ der Technologie-Giganten. Und man kann heute nur hoffen, dass hochentwickelte künstliche Intelligenz nicht in die Hände von Monstern fällt.

Nur den Anteilseignern verpflichtet, alles andere ist egal?

Margen, Preisdruck und Gier lassen Ethos, Anstand und Achtung der Menschenwürde manchmal völlig versanden. Und nein, ein bisschen Corporate-Social-Responsibility-Aktionismus wäscht einen ganz sicher nicht rein. Feigenblattaktionen und Sonntagsreden, ohne dass dem wirklich Taten folgen, werden im Web schnell entlarvt. Und wer sich mit falschen Siegeln schmückt oder undurchsichtige Zertifikate erwirbt, also modernen Ablasshandel betreibt, wird immer öfter geächtet.

„Wir sind nur den Anteilseignern verpflichtet, alle anderen Anspruchshaltungen interessieren uns nicht.“

Dies ist das Statement eines CEO – aus dem letzten Jahr. Hingegen hat der Global Leadership Forecast von Ernst & Young bereits 2018 gezeigt, dass „Purposeful Organisations“ um 42 Prozent bessere Finanzergebnisse als der Durchschnitt aufweisen können. Kein Wunder, das erste Großinvestoren solchen Organisationen inzwischen den Vorzug geben.

Schlechte Gewinne werden auf Kosten der Umwelt und des Gemeinwohls gemacht. Gute Gewinne hingegen, indem man den Menschen nützlich ist und zugleich auch die Umwelt schützt. Den Unternehmen, die das nicht bieten, werden bald drei Dinge ausgehen: die Innovationen, die Leistungsträger und die Einnahmenbringer.

Schlechte Gewinne adé. Die Zeit ist reif für gute Gewinne

Zahlungsbereite Menschen, Toptalente und auch die Gesellschaft erwarten längst, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und Maximalrenditen. Sie verlangen nach einer Vereinbarkeit von Profitstreben und Nachhaltigkeit. Sie wollen wissen, welche ethische Haltung ein Anbieter glaubhaft vertritt, wie er mit seinen Kunden und Mitarbeitern umgeht und welchen Nutzwert er der Welt bietet.

Die Corona-Zwangspause hat eben auch dazu geführt, dass wir mehr und mehr hinterfragen, wie wir leben, konsumieren und arbeiten wollen. Anbieter, die dem Wohl des Planeten dienen und das Dasein der Menschen sinnvoll verbessern, unterstützen wir gern. Sie werden von der Gesellschaft geschätzt und sind in der Lage, eine Gefolgschaft von Anhängern um sich zu scharen, die zu Evangelisten der Unternehmenssache werden.

Das wiederum erzeugt gesteigertes Kundeninteresse, Arbeitgeberattraktivität und eine breite Medienrelevanz. Gute Gewinne sind dann das Ergebnis.

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