Workshare ist eine sehr alte Idee. Wenn im Mittelalter Kathedralen gebaut wurden, dann war das eine Gemeinschaftsarbeit von Hunderten von Leuten, wobei viele die gleichen Aufgaben hatten aber diese über das wachsende Gebäude verteilt waren. Mit der Industrialisierung wurde eine Dimension des Workshares erreicht, in der nicht die Menschen von einem Ort zum anderen gingen, sondern der zu bildende Gegenstand mit Hilfe von Fließbändern von einem Menschen zum anderen bewegt wurde. In beiden Systemen war die zu erbringende Arbeitsleistung darauf ausgerichtet mit möglichst wenigen Arbeitnehmern möglichst viele Resultate zu erzielen.

Die heutige Situation ist anders.

Manuelle Arbeit wird zunehmend durch Maschinen ersetzt und wir haben so viele Menschen, die Arbeit leisten können/wollen/müssen, dass wir die verbleibende Arbeit untereinander aufteilen müssen, in dem Bemühen weltweit faire Chancen auf ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. All das ist nichts Neues. Es ist uns bekannt seit es den Begriff ‚Arbeitslosigkeit‘ gibt. Theoretisch hätten wir an dem Punkt aufhören müssen, weitere Maschinen zu entwickeln, die dem Menschen die Arbeit ab- oder wegnahmen.

Der Gedanke ist jedoch müßig, da wir dies nicht getan haben und es auch nicht in der Natur des Menschen zu liegen scheint, die Weiterentwicklung von einmal eingeschlagenen Wegen abzubrechen. Eine neue Verteilung von Arbeit ist daher schon seit Jahrzehnten im Gespräch.

Persönlich betrifft mich dieses Thema seit Ende der 70er Jahre.

Mir wurde gesagt, dass ich mich entscheiden müsse zwischen dem Biologiestudium und dem Muttersein. Mein Studium sei sonst eine Ressourcenverschwendung, da Kinder und Berufstätigkeit als Wissenschaftlerin unvereinbar seien und ich nicht anderen den Studienplatz wegnehmen solle, wenn ich doch sowieso nicht beruflich tätig sein würde. Ich machte mich daher auf die Suche nach einem Mann, der genau wie ich Kinder und wissenschaftliche Tätigkeit wollte.

Diese Suche bescherte mir zunächst keinen Erfolg. Meine männlichen Kommilitonen suchten eindeutig nicht nach Partnerinnen, die auch als Wissenschaftler arbeiten wollten. Der einzige, der sich eine Naturwissenschaftlerin als Lebenspartnerin vorstellen konnte, hatte sich gegen Kinder entschieden. Meine Idee des Worksharings hielten sowohl die einen als auch der andere für unmöglich.

Dann passierte es doch

Ich war in Kanada für ein Auslandssemester und lernte dort einen Studenten kennen, der nach einer Partnerin suchte, mit der er partnerschaftlich gemeinsame Kinder großziehen könnte. Wir lernten uns kennen als er gerade mit der Doktorarbeit in Biologie begann und ich mit meiner Diplomarbeit ebenfalls in Biologie. Wir zogen zusammen in die Schweiz und unser erstes Kind wurde 9 Monate später geboren.

Für uns war es klar, dass wir unsere Kinder selbst großziehen wollten. Krippe wollten wir nicht und Kindergarten erst ab 4 Jahren. Unseren Tag unterteilten wir in jeweils 3 Schichten. Eine/r von uns arbeitete von 7:00 bis 13:00 bzw. 14:00-20:00 Uhr und abends sobald unser Sohn im Bett war schrieben wir Versuchsprotokolle, bereiteten Vorlesungen vor oder lasen wissenschaftliche Literatur. Die freie Stunde zwischen 13:00 und 14:00 Uhr nutzten wir zu einem Update über die Dinge, die unser Sohn im Laufe des Vormittags erlebt hatte und die, die am Nachmittag erledigt werden mussten, denn jeweils einer von uns war mit unserem Sohn zusammen.

Da ich unseren Sohn voll gestillt habe, brachte mein Mann ihn während meiner Arbeitszeit zu mir ins Labor. Wir wechselten uns täglich ab. Wer am einen Tag am Nachmittag arbeitete, arbeitete am nächsten Tag am Vormittag. Dadurch hatten wir nur eine Übergabe pro Tag.

Das war ja noch kein wirkliches Worksharing.

Schließlich mussten wir ja beide unsere Diplom- bzw. unsere Doktorarbeiten unabhängig voneinander machen. Aber die Kinderbetreuung und den Haushalt haben wir 50:50 geteilt, und die Arbeitszeit auch. 5 Jahre später bekamen wir unser zweites Kind und verfuhren genau gleich weiter.

Nach dem Abschluss unserer Doktorarbeiten wurde uns die Möglichkeit angeboten, als Entwicklungshelfer nach Madagaskar zu gehen. Statt zwei 100%ige Stellen anzutreten, wollten wir uns eine Stelle teilen, damit wir uns die Betreuung unserer Kinder auch weiterhin teilen konnten. Statt vier Stunden täglich zu arbeiteten, arbeiteten wir nun jeder 5 Stunden, so dass wir auch weiterhin mittags eine Stunde Zeit hatten für die Übergabe der Kinder und nun auch des Projektteams.

Wir hatten ein Team von 35 Mitarbeitern. Dadurch, dass wir die gleichen Aufgaben und die gleiche Verantwortung hatten, war es möglich personenbezogene Probleme und Konflikte zu überwinden. Sowohl für unsere Kinder als auch für das Arbeitsteam, für die Menschen in unserem Dorf und für uns selbst war dieses Arrangement ideal. Weder als Projektleiter noch als Eltern waren wir überfordert oder mussten Spannungen unverarbeitet von unserem Privat- bzw. unserem Berufsleben übernehmen, denn der/die andere übernahm an dem Punkt, an dem der andere aufgehört hatte. Wenn es am Arbeitsplatz Spannungen gab, konnte der andere diese lösen.

Sieben Jahre später gründeten wir in Kanada unsere eigene Firma.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nun drei Kinder – die Jüngste war in Madagaskar geboren worden. Da wir nicht wussten wie lange wir in Kanada bleiben würden, entschieden wir uns unsere Kinder mit Hilfe einer Korrespondenzschule zuhause zu unterrichten. Die Verteilung unserer Arbeits- bzw. Familienzeit blieb die gleiche. Unsere Firma entwickelte sich sehr schnell. Innerhalb von vier Jahren hatten wir 32 Mitarbeiter, verkauften unser erstes von neun biologischen Pflanzenschutzmittel auf dem kanadischen und dem amerikanischen Markt, und unsere Kinder hatten ausgezeichnete schulische Leistungen obwohl sie nur 3-5 Stunden am Tag Unterricht hatten und ansonsten Zeit hatten für Freunde, Projekte, Hobbies und Spielen.

Aus unserer Erfahrung birgt das Worksharing folgende Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:

  • Eine Arbeitszeit von 4-5 Stunden erlaubt es dem Arbeitnehmer konzentriert, effizient und menschlich offen eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen, die anschließend von einem Kollegen weitergeführt werden.
  • Durch die tägliche Übergabe an einen Kollegen wird sichergestellt, dass eventuelle Fehler, Ineffizienzen oder Konflikte sofort berichtigt bzw. behoben oder bereinigt werden.
  • Der Arbeitnehmer arbeitet nur so lange, wie es seine geistige und physische Energie erlaubt. 4-5 Stunden sind ohne längere Pause möglich.
  • Der Arbeitgeber erhält durch die Einstellung zweier Personen das doppelte Wissen und die doppelte Erfahrung.
  • Fehler werden vom anderen Partner des Tandems behoben, bevor sie sich auf das gesamte Team auswirken.
  • Konflikte, die einer der beiden Partner des Tandems mit einem Kollegen außerhalb des Tandems hat, werden von dem anderen Partner gelöst.
  • Ermüdungserscheinungen, geistige und körperliche, die nach 4-5 Stunden Arbeit auftreten, werden auf den Privatbereich verlagert und wirken sich nicht auf den Arbeitsplatz aus.
  • Während Vollzeitarbeitnehmer nach 8 Stunden Arbeit und anschließenden Aufgaben in Haushalt und Kinderbetreuung kaum noch Zeit und Energie haben für ein Privatleben, sind Menschen, die 4-5 Stunden arbeiten, in der Lage physisch und psychisch gesund und erfüllt zu leben.

Egal wo wir gelebt und gearbeitet haben, an der Universität, in der Entwicklungshilfe, in unserer eigenen Firma oder später für die Regierung, unser Umfeld war sich immer einig, dass Worksharing nicht funktionieren könne obwohl sie den Erfolg direkt vor sich sahen. Die Effizienz unserer Arbeit, die eingebaute Fehlerkorrektur, der Einsatz doppelten Wissens, doppelter Erfahrung und doppelter Energie machten es unseren Kollegen nicht leicht sich an den resultierenden Leistungen zu messen.

Wir würden Arbeitnehmern daher anraten, nicht nur ein Tandem in ihrer Firma aufzunehmen, sondern besser gleich zwei oder drei.

Alternativ ist es ratsam das gesamte Team darauf vorzubereiten, dass das Tandem Leistungen erbringen wird, an denen sich die Einzelmitarbeiter nicht messen können.

Heute begleiten wir Arbeitgebertandems, Arbeitnehmertandems, und ihr Umfeld sowohl beruflich als auch privat in der erfolgreichen Ausbreitung des Worksharings. Im Vergleich zu einigen anderen Ländern ist die Begeisterung noch relativ gering aber vielleicht ändert sich das ja, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunehmend mit dem Thema Worksharing beschäftigen.

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