nachhaltig.digital zeigt den Status quo zur Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Mittelstand auf.

Wo positioniert sich der Mittelstand (KMU) in der doppelten Transformation? Diese Frage konnte bis vor Kurzem nicht valide beantwortet werden. Viele Studien haben Unternehmen insgesamt oder speziell die Industrie 4.0 in den Fokus genommen. Der Mittelstand war zwar in den Kohorten vereinzelt vertreten, der alleinige Status quo der Transformation dieses Unternehmenssegments wurde aber nicht betrachtet. Dieses Desiderat hat nachhaltig.digital mit dem nachhaltig.digital Monitor geschlossen. Seit 2020 wird jährlich in einer repräsentativen Stichprobe von 500 Entscheider:innen ermittelt, wo genau die Unternehmen sich in der Transformation verorten.

Das Positive vorweg: Die diesjährige Studie zeigt, dass bereits 70 % der Unternehmen grundsätzlich kein Hemmnis beim Einsatz digitaler Technologien sehen. Doch was fehlt den verbleibenden 30 % und welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in der Transformation?

Praxisbezogene Aspekte haben an Bedeutung für die Umsetzung gewonnen. Die befragten Unternehmen gaben an, dass vor allem Probleme bei der praktischen Umsetzung das größte Hindernis darstellen (59 %, + 9 % zu 2020). Daneben wird ein unklares Kosten-Nutzen-Verhältnis (57 %, + 13 % zu 2020) angeführt. Beide Hemmnisse verdeutlichen, wie relevant eine gute Kommunikation von Lösungen und Potenzialen digitaler Technologien für den Mittelstand ist (DIHK 2020).

Es geht nicht nur darum, Innovationen zugänglicher und auffindbarer zu machen, sondern auch zu erfahren und zu verstehen, wie genau Technologien funktionieren, damit Übertragungspotenziale in dem eigenen Kontext erkannt werden.

Der Austausch mit anderen in Netzwerken ist essenziell: So können innovative Ideen übertragen und weiterentwickelt werden.

Pandemie: Reaktives Handeln und vertane Möglichkeiten

Wie verhielten sich eigentlich die KMU in der Pandemie? Wurden neu geöffnete Räume genutzt, um die doppelte Transformation voranzubringen? Die Antwort darauf ist leider ernüchternd. Neben der Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben (beispielsweise mobiles Arbeiten, wo es möglich war) haben die Hälfte der befragten Unternehmen keine weiteren digitalen Entwicklungen angeregt. Außerdem war für gut ein Drittel der Entscheider:innen Nachhaltigkeit ein (völlig) irrelevantes Thema in dem Prozess.

Ein Punkt, der sich auch schon im vorangegangenen Monitor klar gezeigt hat, ist die Diskrepanz zwischen den erkannten Chancen und den fast vollkommen ausgeblendeten Risiken der Digitalisierung für die Nachhaltigkeit.

Diese werden nur von 9 % der Unternehmen gesehen. Insbesondere mit dem Voranschreiten der Klimakrise (IPCC 2022) und den Hinweisen verschiedener Wissenschaftler:innen darauf, dass die Digitalisierung schnell zum Brandbeschleuniger der Klimakrise (WBGU 2019) werden kann, ist es nötig, eine Digitalisierung mit Augenmaß zu gestalten (u. a. Bitkom 2021; WBGU 2019). Augenmaß bedeutet hier, im Vorfeld nach dem Nutzen und Maß zu fragen, wie es beispielsweise die Umsetzung der Vorgabe des Datenminimalismus beschreibt (DSGVO Art. 5, Abs. 1c): Welche Daten werden tatsächlich benötigt und wie können sie genutzt werden?

Was benötigen aber die Unternehmen, um diese Lücke zu schließen und die Digitalisierung nachhaltig zu gestalten? Es fehlt vor allem an Inspiration (56 %), Lösungsansätzen (58 %) und Anregung durch Praxisbeispiele (63 %), wie die Digitalisierung positiv auf eine ökologischere Wirtschaftsweise einwirken kann. Besonders kleine Unternehmen bewerten diese Bedarfe mit 60 %, 68 % bzw.
71 % in der Erhebung am höchsten.

Zusammengedacht: Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Der Monitor 2021 zeigt, dass im Vergleich zur vorherigen Kohorte eine integrierte Verortung beider Themen im Unternehmen sogar abgenommen hat (Kleinstunternehmen: -7 %, mittlere: -8 % zu 2020). Einzig in kleinen Unternehmen (+7 % zu 2020) nahm diese zu. Dies lässt die Interpretation zu, dass gerade in kleineren Unternehmen oft die personellen Ressourcen fehlen und daher die Themen auf einer Stelle gemeinsam verortet werden. Umgekehrt lässt sich für größere Unternehmen schlussfolgern, dass mit zunehmender Größe eine Verantwortungsdiffusion und Silodenken mit allen damit einhergehenden Herausforderungen wahrscheinlicher wird.

Obgleich in mittleren Unternehmen vermehrt Zuständigkeiten für Nachhaltigkeit und Digitalisierung geschaffen werden, so geht das nicht automatisch mit einer gemeinsamen Schnittstelle einher.

Beide Themen werden zunehmend getrennt behandelt (41 %, +23 % zu 2020; im Vergleich dazu +3 % bei Kleinst- und keine Änderung bei Kleinunternehmen). Das erfordert ein Umdenken hin zu mehr Kollaboration insbesondere in mittelständischen Unternehmen, auch um die ausgeprägte Lücke zwischen Wissen und Handeln zu schließen. Eine solche Kollaboration kann, wenn sie über Unternehmens- und Branchengrenzen hinausgeht, weiter Übertragungseffekte auslösen und die doppelte Transformation im ökologischen und sozialen Sinne positiv beeinflussen.

Erkennen wir die Hürden an und nehmen diese, damit wir gemeinsam die Zukunft gestalten.

Zum Download

Die gesamte Studie kann unter hier heruntergeladen und gelesen werden.


Quellen:
Bitkom e. V. (2021). Klimaeffekte der Digitalisierung, Studie von Bitkom und accenture. Online verfügbar, zuletzt abgerufen 19.04-2022
Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) (2020). Zeit für Innovationen – DIHK-Innovationsreport 2020. Berlin.
IPCC (2022). Climate Change 2022: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, M. Tignor, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem, B. Rama (eds.)]. Cambridge University Press.
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (2019). Hauptgutachten – Unsere gemeinsame digitale Zukunft.

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