Pro Jahr verbraucht die Weltwirtschaft mehr als 100 Milliarden Tonnen an Rohstoffen – das entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 12,5 Tonnen. 90 Prozent davon werden letztendlich als Abfall entsorgt: ein ungeheurer, sich ständig beschleunigender Ressourcenhunger, der sich ohne Umlenken bis 2050 nahezu verdoppeln wird. Dabei entspricht die Menge der zwischen 2000 und 2015 weltweit neu geförderten Rohstoffe der Hälfte der im letzten Jahrhundert und überhaupt verbrauchten. Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft muss die Menschheit also nicht nur, wie Armando Garcia Schmidt hier im Blog kürzlich betont, ihren Ausstoß klimaschädlicher Emissionen verringern, sie muss sich auch vom derzeit vorherrschenden Prinzip des linearen Wirtschaftens lossagen, das keine nennenswerte Wiederverwertung kennt. Denn heute gelangen eingesetzte Rohstoffe über den Lebenszyklus eines Produktes hinaus meist nicht wieder in den Produktionsprozess zurück: „ökologisch fatal, ökonomisch leichtfertig und sozial wenig intelligent“ nennt das der Rat für Nachhaltige Entwicklung

Wirtschaften in Kreisläufen ist mehr als die Aufbereitung von Abfällen

An die Stelle dieser linearen Form des Wirtschaftens soll die des zirkulären Wirtschaftens – häufig auch als Kreislaufwirtschaft bezeichnet – treten. Mit dem zunächst abstrakt wirkenden Begriff kann immerhin fast zwei Drittel aller Deutschen etwas anfangen, auch wenn sich das Verständnis vor allem auf Recycling beschränkt. Dabei ist die „Circular Economy“ (wir verwenden hier synonym auch die Begriffe “Zirkulärwirtschaft”, “zirkuläres Wirtschaften” und “Wirtschaften in Kreisläufen”) sehr viel mehr als nur die Aufbereitung von Abfällen – so unterschiedlich die zahlreich existierenden Definitionen im Detail aktuell noch sein mögen. 114 solcher Definitionen zählte eine Studie von 2017, und gerade im Deutschen ist die Abgrenzung zum früher dominanten Verständnis der Kreislaufwirtschaft mit dem Bezug zu dem entsprechenden Kreislaufwirtschaftsgesetz dabei wichtig (siehe einen entsprechenden Überblick der Konzepte hier). Denn um Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, müssen in einer zirkulären Wirtschaft nicht nur Abfälle in erster Linie vermieden und Materialien auf höchstmöglichem Niveau wiederverwertet werden.

Zudem geht es auch um eine verlängerte Produktlebensdauer und um die Abkehr von immer mehr Konsum; Gebrauch statt Besitz und regenerative Geschäftsmodelle sind hier beispielsweise große Themen.

Nur mit dieser Neuausrichtung wirtschaftlicher Paradigmen kann zirkuläres Wirtschaften dabei das Versprechen einlösen, als ziel-gebendes gesellschaftliches Konzept die Bewältigung zentraler Herausforderungen (wie Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung) zu ermöglichen. Einfach wird dieser umfassende Wandel sicher nicht. Er ist aber zu bewältigen, wenn in einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung die unterschiedlichen Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft zirkuläre Umsetzungen vorantreiben (siehe dazu auch „Mythen der Circular Economy“). Schon heute gibt es vielfältige und vielversprechende Lösungsansätze, etwa den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Entwicklung langlebiger Produkte oder eine Normierung und Standardisierung mit entsprechenden Materialpässen (siehe die deutsche Normungsroadmap Circular Economy), die die Aufbereitung von Materialien erleichtern. 

Viele Initiativen und Pläne, aber noch langsame Fortschritte

…trotz vieler positiver Wirkungen. Während einerseits die Bedeutung des Themas durchaus in der Öffentlichkeit angekommen ist und sich große Mehrheiten in Politik und Wirtschaft des zunehmenden Handlungsdrucks bewusst sind, ist die Umsetzung jedoch teilweise noch in den Anfängen. Besonders zur Wechselwirkung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit bestehen noch große Wissenslücken, wie die Studie D21-Digital-Index zeigt (darüber haben wir hier schon berichtet): die Chancen werden durchweg niedriger bewertet (nur 44% erwarten eine höhere Nachhaltigkeit etwa durch Effizienzsteigerung) als die Risiken (59% sehen eine Belastung der Nachhaltigkeit durch Elektroschrott).

Zu dem, was noch zu tun ist, gibt es zugleich große Pläne, insbesondere auf Ebene der EU. Diese setzt mit dem Circular Economy Action Plan (EU-Aktionsplan für die Circular Economy) am Anfang der Produktionskette an und verlangt eine zunehmende Langlebigkeit, Reparierbarkeit und leichtere Recyclingfähigkeit von Produkten. Auch hinsichtlich Energieeffizienz und Schadstofffreiheit steigen die Anforderungen, zudem sollen neue Märkte für kreislauf-fähige Produkte und sekundäre Rohstoffe entstehen. Die messbare Zirkularität in Europa macht dennoch nur langsam Fortschritte: Von den im entsprechenden Jahr verbrauchten Rohstoffen sind 2018 nur 10,8% wiederverwertet worden, 2022 mit 12,8% kaum mehr. Weltweit kam es sogar zu einem Rückgang (von 9,1% 2018 auf 7,2% 2022). Dabei würde sich eine höhere Wiederverwertung nicht nur unter Umweltaspekten lohnen, sie verspricht auch wirtschaftlichen Erfolg: Unter anderem werden so die Abhängigkeit vom Kostentreiber Rohstoffimport reduziert und die Motivation der Mitarbeiter*Innen und die Kund:Innen-Bindung verbessert, wie eine demnächst erscheinende Befragung von im Feld Nachhaltigkeit aktiven KMU ergeben hat (mehr dazu am Ende des Beitrags). Dort formuliert es eine Führungskraft so: 

Im Kern ist das keine Frage der Umweltbewegung, sondern eine Wirtschaftsfrage: Wie kann ich das, was ich heute aufbaue, langfristig sichern? Wie kann ein Produkt mit den Ressourcen, die der Planet uns zur Verfügung stellt, verantwortungsvoll umgehen?

Herausforderungen in der Umsetzung z.B. durch mangelndes Wissen

…und großes Potential regionaler Zirkularität. Auch wenn die Notwendigkeit zum entsprechenden Umsteuern von vielen erkannt ist, sind zugleich Herausforderungen in der Umsetzung deutlich. Die Komplexität des Themas wirkt oft abschreckend, langlebige Produkte gelten manchen noch als “geschäftsschädigend” oder “unwirtschaftlich”, und dass die Zirkulärwirtschaft auch eine prinzipielle Konsumreduktion erfordert, kann man geradezu als Tabuthema bezeichnen. Problematisch ist oft auch ein Mangel an Wissen über Potenziale und Umsetzungsmöglichkeiten. Beispielsweise ist gerade im Bereich regionale Zirkularität, die aufgrund der kurzen Transportwege und leichteren Abstimmung der Akteur:innen als besonders gut umsetzbar gilt, noch erhebliches Potenzial offen. Hier liegt Deutschland noch unter dem europäischen Schnitt zentraler Indikatoren des Wirtschaftens in Kreisläufen, und auch für NRW (und OWL) wurde ein enormes Potenzial in Richtung zirkuläre Zukunft ermittelt. 

Zugleich bestehen bereits viele Umsetzungs-Beispiele, darunter auch Unternehmen aus der Region OWL, die schon jetzt auf Kreislaufprinzipien setzen: etwa mit  PVC-Kreisläufen bei der Herstellung von Fenstern, biobasierten Kunststoffen in der Möbelherstellung, der verstärkten Verwendung von Rezyklat in Haushaltsgeräten, dem nachhaltigen Betrieb von Rechenzentren, oder der Wiederaufbereitung von Getrieben. Viele dieser Unternehmen engagieren sich in regionalen Netzwerken zum Thema zirkuläres Wirtschaften, z.B. beim Runden Tisch Zirkuläre Wertschöpfung NRW, CirConomyOWL, CirQualityOWL, oder Lippe zirkulär. Wesentlich wird es jedoch sein, hier noch weit mehr Unternehmen und andere Akteure einzubinden.

Ausblick: das Paper zum Thema, weitere Blogbeiträgen und das Barcamp #CircularOWL

Eine wichtige Rolle spielt zirkuläres Wirtschaften auch im demnächst erscheinenden Paper (zu weiteren Infos können Sie sich hier gern in den Newsletter eintragen) zu “Unternehmen und Nachhaltigkeit”, das sich aus Interviews mit 20 Führungskräften aus KMU in Deutschland speist. Hier zeigt sich: Besonders für die dort interviewten Vorreiter-Unternehmen des Mittelstands ist die Realisierung von zirkulären Prinzipien der nächste Schritt in ihrer Ausrichtung auf Nachhaltigkeit.

Es wird deutlich, dass zwei Aspekte eine besondere Rolle für die erfolgreiche Realisierung des zirkulären Wirtschaftens spielen: Führung und Unternehmenskultur auf der einen und Kooperation und Ko-Innovation auf der anderen Seite.

Um diese beiden Themen geht es in zwei weiteren, in den nächsten Wochen folgenden Blogbeiträgen. Wie der Stand in OWL ist, und was für die Akteur:innen dort besonders wichtig ist für die Zukunft des Wirtschaftens in Kreisläufen in der Region, damit beschäftigt sich bald das Barcamp zum Thema. Jetzt anmelden! Alle weitere Informationen zu unserer Initiative und die online Anmeldung:
Willkommen bei CircularOWL – Zukunft der Nachhaltigkeit

 

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