Die Wirtschaft wird nachhaltiger…

… zumindest auf dem Papier! Viele Unternehmen haben angefangen, Nachhaltigkeitsberichte und CSR-Berichte zu schreiben, in denen sie zeigen, was sie tun und wie sie sich mit „grünen“ Themen auseinandersetzen. Das hat jedoch „nicht zu dazu geführt, dass wir einen wirklich merklichen Umschwung in der Art, wie wir wirtschaften, feststellen können“, kritisiert Jakob Kunzlmann. Kunzlmann ist Nachhaltigkeitsexperte bei der Bertelsmann Stiftung. Die Herausforderungen, denen wir uns jetzt stellen müssten, gründeten sich eben auf der Wirtschaftsweise der letzten 150 Jahre, sagt er. Er kritisiert: „Das hat im biologischen Bereich viel kaputt gemacht.“ 

Das Thema Unternehmensverantwortung „klingt gerade ein wenig ab“, schätzt er ein, stattdessen müssten wir über Nachhaltigkeit von Unternehmen sprechen. Denn dass wir bisher zu wenig das Thema Schadschöpfung – also die negativen Effekte unseres Wirtschaftens – in den Blick genommen haben, sei der Grund, weshalb der Klimawandel so schnell ein so großes Problem werden konnte. Diese negativen externen Kosten sind im Wirtschaftssystem nicht eingepreist – und die Folgen trägt die Gesellschaft als Ganze. Das hat verschiedene Gründe, sagt Kunzlmann, unter anderem den, dass sie sehr schwer zu berechnen sind. 

Benedikt Klarmann von Junglück ist einer der Unternehmer, der sich mit dem Thema Nachhaltigkeit aus sich heraus auseinandersetzt – er empfand Reisen durch Asien als besonders prägend, erzählt er, denn dort ist der wenig nachhaltige Umgang mit der Umwelt noch viel sichtbarer als hier. Er ist davon überzeugt: Nur mit mehr Nachhaltigkeit können wir unseren Wohlstand langfristig erhalten. „Das ist die Zukunft – für alle Unternehmen!“, sagt er. Und aus dieser Haltung heraus gründete er die Kosmetikmarke Junglück, die in allen Bereichen nachhaltig sein will, vom Herstellungsprozess über die Inhaltsstoffe bis hin zum Verkauf und Konsum der Produkte. 

In der Umsetzung sieht das bei Junglück so aus, dass sie das Thema Nachhaltigkeit in allen Entscheidungen mitdenken, die in der Organisation getroffen werden. Der Versandkarton zum Beispiel sei mittlerweile komplett plastikfrei und sie polsterten ihn nicht mit Plastikfolien, sondern mit Holzwolle aus. Solche Entscheidungen würden nicht leichtfertig getroffen, sondern es sei immer ein Weg des Annäherns und Abwägens, sagt er. Denn es sei nicht immer leicht, die richtige Entscheidung zu treffen und zu wissen: „Was ist denn nun wirklich die nachhaltigere Option?“ 

#2 Was nachhaltige Unternehmen ausmacht

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Denn nicht immer seien alle Informationen und Daten auch verfügbar, die sie brauchen. Den CO2-Fußabdruck eines Produktes, den könne man mittlerweile ganz gut ermitteln, sagt er. In anderen Bereichen, wie dem Wasserverbrauch, wird es da schon komplizierter. „Da tun wir uns manchmal schwer, an belastbare Informationen zu kommen.“ Und zwar im Vorhinein – denn im Nachhinein zu kompensieren sei für sie immer erst der zweite Schritt, die zweitbeste Option.

Es fehlen Daten und Informationen

Dass diese Daten fehlen, liege aber weniger am mangelnden Willen, sondern vielmehr an der Struktur des Wirtschaftssystems, meint der Nachhaltigkeitsexperte Kunzlmann. Das Bruttoinlandsprodukt sei ein Beispiel dafür: Wenn es wächst, sei das immer gut, doch die Qualität des Wachstums und die Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Ressourcen spielten keine Rolle. „Man muss die Zielsysteme, an denen sich die Unternehmen ausrichten, verändern“, fordert er. Das Ziel in den vergangenen Jahrzehnten war eben vor allem, ein bestimmtes Wachstum zu generieren, sagt er. „Und wenn wir nachhaltiger werden wollen, dann müssen wir versuchen, auf Unternehmensebene zu sagen: Ja, es ist wichtig, Geld zu verdienen, aber es ist nicht das einzige Ziel.“ Es müsse in Zukunft auch immer um das Wohlergehen einer Gesellschaft gehen, meint er: Soziale und ökologische Aspekte sollten an Wert gewinnen, bis sie auf Augenhöhe zu finanziellen Dingen stehen. 

Aber wie kann man das konsequent umsetzen? Kunzlmann sagt: Der regulative Ansatz, z.B. auf EU-Ebene, kann nur ein Baustein sein. „Grundsätzlich geht es darum, dass die Konsummuster verändert werden – und zwar von jedem Einzelnen“, meint er. „Es bringt wenig, wenn man nur Vorgaben macht.“

Wie sieht es in den Unternehmen aus

wie können die von innen heraus verändert werdenIn den quartalsgetriebenen Großunternehmen „ist kein Raum für einen Veränderungsprozess, weil es bei der Börse, bei den Aktionären noch gar kein Bewusstsein dafür gibt, dass das einen Mehrwert liefert. Sondern die wollen die Rendite der letzten Quartale haben“, sagt der Junglück-Gründer Klarmann. Deshalb bräuchte es da einen sehr mutigen Schritt, schätzt er ein, und dann auch die Akzeptanz, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen erst einmal schlechter aussähen. „Ich sehe das Problem, ob dieser Wille wirklich bei den Unternehmen da ist, weil sich das durch das ganze Unternehmen ziehen muss und auch bei den Aktionären eine wahnsinnige Herausforderung wird, da standhaft zu bleiben.“ Diese Debatte müsse man noch viel breiter führen, fordert er.

Was die Nachhaltigkeit angeht…

haben wir noch einen weiten Weg vor uns,meint auch Jakob Kunzlmann. Nachhaltigkeit müsse positiver belegt werden – es ginge ja weder um einen Wohlstands- noch Freiheitsverlust. Leider würde das Thema aber oft noch so wahrgenommen. „Wir müssen die Vorteile eines nachhaltigeren Lebensstils deutlich machen und auch die Auswirkungen unseres derzeitigen Wirtschaftens sichtbar machen“, fordert er.


Das Gespräch führte Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und Neues Lernen, um Menschen und Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen.

 

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