Die Wirtschaft muss nachhaltiger werden – ja! Unter diesem Slogan findet sich jeder wieder. Die Zustimmung zu solchen Aussagen bei Umfragen liegt bei über 80%. Interessant wird es, wenn wir über persönliche Betroffenheit sprechen, wenn also eine jede und ein jeder in seinem eigenen Wirkungskreis und Umfeld Veränderungen anstößt um weniger negativen Impact (Schadschöpfung) und/oder mehr positive Wirkung (Wertschöpfung) durch das eigene Tun und Handelns zu erzielen. An dieser Stelle wird es jedoch schwieriger und die Zustimmungswerte für konkrete Maßnahmen auf der eigenen Handlungsebene unterscheiden sich gravierend von denen, die im Allgemeinen verbleiben und nur in der Übersetzung ins eigene Handeln wirksam werden.

Der Sustainability Transformation Monitor

Der Ansatz des Sustainability Transformation Monitors (STM) ist wiederum ein systemischer: Die Wirtschaft (wobei man gerne auf diesen verschwommenen und intendierten Alles-und-Nichts-Ausdruck zurückgreift) soll nachhaltiger werden. Operationalisieren wir dies, sind das einerseits Unternehmen, andererseits die Konsument:innen, die Abnehmer:innen, Nutznießer:innen und auch Sinngeber dieser „Wirtschaft“ sind. Die Änderung von Konsum- und Verhaltensmustern – also der Wirtschaft – wird politisch vor allem über eine Änderung der Rahmenbedingungen für Unternehmen, als Ausgangspunkt dieser größeren Veränderung, in den Blick genommen.

Die Europäische Union hat mit dem „Green Deal“ eine Zukunftsvision vorgestellt, die Europa wettbewerbsfähig und nachhaltiger machen soll. Ein Teil dieses Maßnahmenpakets sind neue Berichterstattungspflichten für Unternehmen – die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Am 10. November 2022 hat das EU-Parlament die neuen Berichterstattungsregeln für kapitalmarktorientierte Unternehmen beschlossen – zuerst nur für größere, ab Berichtsjahr 2026 werden auch kleinere Unternehmen davon betroffen sein.

Ein größerer Kreis von Unternehmen wird in Zukunft über nachhaltige Aspekte der Unternehmensführung berichten müssen, über die Wertschöpfungsketten werden sich auch nicht direkt-betroffene Unternehmen mit diesen neuen Regeln auseinandersetzen müssen.

Gleichzeitig wird mit der EU-Taxonomy ein Klassifikationsinstrument eingeführt, das bestimmte Geschäftstätigkeiten als nachhaltig einstuft und diese als Investitionsobjekt für privates Kapital attraktiv machen soll. Ergänzt wird dieses Bündel an regulativen Maßnahmen durch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die wiederum Finanzinstituten vorgibt, darüber Auskunft zu geben, inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Entscheidungsprozess für Finanzprodukte einbeziehen und welche Wirkung diese Produkte haben.

Dieses Bündel an regulativen Maßnahmen soll die Transparenz bei Unternehmen bezüglich sozialen, ökologischen und Governance-Faktoren erhöhen und diejenigen Daten bereitstellen, auf Basis derer die Finanzwirtschaft nachhaltigere Investitionsentscheidungen treffen kann. Eine Standardisierung der Berichterstattung und bessere Daten erleichtern die Vergleichbarkeit und werden als Ausgangspunkt für die Kanalisierung von privatem Kapital in nachhaltigere Geschäftsmodelle – also für die Transformationsfinanzierung – gesehen. Somit sollen nicht nur nachhaltigere Geschäftsmodelle mit billigerem Kapital ausgestattet werden, sondern auch ein Anreiz gesetzt werden, bestehende Geschäftsmodelle zu transformieren. Ob dieses Bündel an Maßnahmen zu dem gewünschten Ergebnis führt, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen.

Gleichzeitig sagen uns Naturwissenschaftler:innen, dass die nächsten Jahre darüber entscheiden, ob wir auf dem 1,5 Grad-Pfad in eine gesellschaftlich kontrollierbare Zukunft steuern, oder ob wir mit gravierenderen Verwerfungen rechnen müssen.

Unternehmen sehen sich also großen regulativen Neuerungen ausgesetzt, die erst einmal umgesetzt werden müssen, gleichzeitig gibt es einen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konsens darüber, dass die Wirtschaft schnell und bis hin ins Kerngeschäft nachhaltiger werden muss.

Wir als Bertelsmann Stiftung, Stiftung Mercator, Universität Hamburg und Peer School for Sustainable Development sehen deshalb die Notwendigkeit, diesen Transformationsprozess evidenzbasiert zu begleiten. Wir wollen in den nächsten Jahren den Stand der Transformation der Wirtschaft erheben und eine Grundlage für effektive und effiziente Rahmensetzung durch die Politik schaffen, als auch ein Benchmarking innerhalb der Wirtschaft anbieten.

Unsere Befragung

Wir befragen die zwei Welten, auf die es ankommen wird – die Realwirtschaft mit ihren Geschäftsmodellen und Produkten, und die Finanzwirtschaft, die das Kapital für die Transformation bereitstellt. Denn die Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit erfordert umfassende Ressourcen und Investitionen, somit ist eine Langzeitanalyse der Treiber und Hemmnisse elementar.

Wir konzentrieren uns vor allem auf die Schnittstelle dieser beiden Welten, indem wir einerseits fragen, welche Rolle Nachhaltigkeit in den jeweiligen Organisationen spielt, wie also das Nachhaltigkeitsmanagement aufgestellt ist. Andererseits aber auch, welche Rolle Nachhaltigkeit bei der Finanzierung (bereits) spielt, dies aus der Perspektive der Mittelempfänger – also der Realwirtschaft. Und aus der Perspektive der Finanzierer – also der Banken und Investoren, die Kapital bereitstellen.

Die wesentlichen Fragestellungen:

  • Wo stehen die Unternehmen in der Transformation? Wie ist man aufgestellt, wer hat welche Verantwortlichkeiten und wird Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe verstanden?
  • Welche Treiber und Hemmnisse spielen eine Rolle? Sind es die Geschäftskund:innen, der Wettbewerb, Regulierung oder etwa der Einfluss der jungen Generation?
  • Wie wichtig sind die einzelnen Dimensionen Soziales, Ökologie und Governance für bestimmte Branchen? Wir werden Daten gesammelt, wer ist verantwortlich?
  • Wie wirkt die angestoßene politische Regulierung auf die beiden Welten? Was löst Berichterstattungspflicht und Taxonomy wirklich in den Unternehmen aus? Mit welchen Unsicherheiten ist Regulierung verbunden?
  • Wie standardisiert sind nachhaltige Produkte am Finanzmarkt, welche Mechanismen liegen hinter der Auswahl bestimmter Produkt- und Serviceportfolios? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Kreditvergabe?
  • Wie eng sind Real- und Finanzwirtschaft bereits verzahnt? Was gelingt, was fehlt?

Unser Ziel

Ziel unseres Monitors ist eine Analyse des Status-Quo der Nachhaltigkeitstransformation und eine optimale Verzahnung von Real- und Finanzwirtschaft. Wir haben über 1000 Unternehmen dazu befragt und werten die Daten momentan aus – und ja, es ist spannend!

Neben den vier operativ tätigen Organisationen sind weitere wichtige Partner im Projekt eingebunden. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW), der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M), das United Nations Global Compact Netzwerk Deutschland (UNGC), die Wissenschaftsplattform Sustainable Finance und das Corporate Responsibility Interface Center (CRIC). Zehn Organisationen aus beiden Welten – der Finanz- und Realwirtschaft – die zusammen eine nachhaltigere Wirtschaft möglich machen wollen.

Ergebnis-Vorstellung und Anmeldemöglichkeit

Die Ergebnisse werden am 12. Januar 2023 im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin vorgestellt und diskutiert. Noch sind Plätze frei, wir freuen uns über Ihr Interesse. Zum Programm und der Möglichkeit der Anmeldung.

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