In unserem Team haben wir uns nicht nur das Ziel gesetzt, konsequent digital zu arbeiten und zu kommunizieren, sondern auch, nach Möglichkeit, auf Nachhaltigkeit in der Projektarbeit insgesamt zu achten. Dies hat bereits zu einer deutlichen Erhöhung der Fahrradfahrerquote in unserem Projekt und zum generellen Fleischverzicht beim Catering im Zuge von Veranstaltungen geführt.

Nun haben wir die nächste Stufe erklommen und wollen versuchen, das Radfahren in Dienstreisen zu integrieren. Den ersten Schritt bin ich in der letzten Woche gegangen, als ich mein Rad nutzte, um nachhaltiger ans Ziel zu kommen. Da es bisher an Erfahrungsberichten im Netz zu diesem Thema etwas mangelt, möchte ich euch im Folgenden kurz auf diese Reise mitnehmen.

Lasst uns kombinieren!

Der Gedanke zur kombinierten Nutzung von Zug und Rad kam mir, als wir privat eine Reise mit Fahrrad und Zug geplant haben. Zufällig ergab sich dann auch ein dienstlicher Termin in der Region. Normalerweise hätte ich für diesen Termin einen Mietwagen bestellt und wäre mit dem Auto dorthin gefahren. Der Zug wäre schon deshalb nicht infrage gekommen, weil das Fortkommen am Zielort (kleiner Ort im Münsterland) schwierig, zeitraubend und wenig nachhaltig gewesen wäre (ein Taxi hätte es an dem kleinen Bahnhof ohnehin nicht gegeben). Mit dem Fahrrad vor Ort allerdings war die Entfernung von 2 km zwischen Bahnhof und Zielpunkt nicht der Rede wert.

Als erstes: Schlau machen!

Da ich so etwas aber noch nie gemacht habe, versuchte ich zuerst an Informationen zu gelangen, die mir diese Schritte vielleicht hätten näherbringen können. Über die Seite der Deutschen Bahn kommt man auch schnell auf entsprechende Unterseiten. Ich erfuhr, dass die Mitnahme in entsprechend gekennzeichneten Nahverkehrszügen unproblematisch sei – sofern genug Platz vorhanden. Es muss ein Extra-Ticket gebucht werden und die die Mitnahme des Drahtesels ist zu Stoßzeiten z.T. ausgeschlossen. Letztlich entscheidet aber der Zugbegleiter im Einzelfall, ob ausreichend Platz ist.

Die Kosten für das Radticket variieren von Bundesland zu Bundesland, zum Teil sogar innerhalb von Bundesländern in einzelnen Regionen. Das ist nicht gerade hilfreich, vor allem dann nicht, wenn man innerhalb seiner Reise Regional- oder sogar Bundeslandgrenzen überschreitet.

Ohne Website-Hopping ging es nicht

Einige Infos die ich gerne gehabt hätte, bekam ich allerdings nicht über dieselbe Website. Viele Fragen traten auf:

  • Wie sieht das Prozedere der Mitnahme nun ganz genau aus?
  • Wie sehen die Fahrradabteile aus?
  • Und ganz wichtig: Wo genau im Zug sind diese?

Als ein Mensch, der sehr gerne vorab alles genau klärt und plant, kann ich nicht leugnen sehr nervös geworden zu sein. In einem der wenigen verfügbaren Erfahrungsberichte (außerhalb der Seiten der Deutschen Bahn) las ich dann, man könne die entsprechenden Tickets nur am Automaten lösen und dabei auch nur das Fahrradticket gesondert, neben dem normalen Ticket. Das machte es nicht besser.

Auto vs. Rad

Es hörte sich sehr kompliziert an; den Ablauf konnte ich mir immer noch nicht genau vorstellen… ich spielte kurz mit dem Gedanken das Experiment abzubrechen. Laut Google-Maps hätte mich die Reise mit dem Auto in nur 48 Minuten von Tür zu Tür gebraucht…

Mit dem Rad würde es heißen: 8 km zum Start-Bahnhof einplanen, mindestens 20 Minuten für den Ticketkauf berücksichtigen. 1 Stunde Fahrtzeit im Zug, nochmals 10 Minuten vor Ort. In Summe also ca. 2 Stunden statt 48 Minuten (zu denen ich aber ehrlicherweise auch noch das Abholen und Abliefern des Mietwagens hinzurechnen müsste und ebenfalls somit ebenfalls auf ca. 2 Stunden käme)

Der innere Widerstand, den ich nach beharrlichem Umstieg auf das Fahrrad für die Fahrten zur Arbeit langsam aber sicher schon überwunden geglaubt hatte, machte sich nun erneut bemerkbar.

Alles halb so wild!

Am Abend vorher habe ich dann aber glücklicherweise noch herausgefunden, dass ich das Ticket ganz bequem über die DB-App kaufen kann. Zwar musste tatsächlich das Fahrradticket getrennt gekauft werden, aber zu Hause auf dem Sofa war das ja kein Problem.

Man muss nur darauf achten, dass die Reise dann auch innerhalb der nächsten 240 Minuten angetreten wird.

Ich konnte direkt mit dem Rad in den Bahnhof rollen. Obwohl ich sehr häufig in dem Bahnhof bin, hätte ich nicht sagen können, ob alle Gleise wirklich einen Aufzug haben und hatte mich seelisch schon drauf eingestellt, mein Rad samt Rucksack die Treppen hochtragen zu müssen. Aber natürlich gab es Aufzüge für alle Bahnsteige und das Rad passte auch bequem hinein.

Die einzige Frage, die ich immer noch nicht geklärt hatte und für mein strukturiertes Seelenheil ungemein wichtig war, war, wo nun genau diese ominösen Fahrradabteile genau zu finden seien.

Laut Bahnwebsite handelt es sich um Abteile, die „meistens am Anfang oder am Ende des Zuges“ liegen. Super! Also habe ich mich strategisch günstig gestellt und beim Einfahren des Zuges konnte ich glücklicherweise feststellen, dass ein Wagen mit Fahrradsymbol kurz vor mir hielt. So musste ich letztendlich nur ca. 10 m weitergehen um direkt vor dem Fahrradabteil zu landen. Es stiegen tatsächlich einige Leute mit Fahrrad aus, offensichtlich Pendler, denn viele hatten ein praktisches Klapprad unter dem Arm und pendelten so augenscheinlich regelmäßig.

Ein bisschen Schwund ist immer? Schade, das muss doch nicht sein!

Gerade für Dienstreisen ist es jedoch einfach ungünstig, dass es in dieser Art von Zügen keine Steckdosen gibt- zumindest nicht in der 2. Klasse, wo ausschließlich die Fahrradstellplätze sind. Sind die Arbeitsgeräte nicht geladen, kann man nicht arbeiten und somit idR. auch keine Arbeitszeit eintragen. Der Nutzen der gewonnenen Arbeitszeit aus der Reise fällt dann ggf. weg.

Vor Ort angekommen, benötigte ich lediglich 10 Minuten mit dem Fahrrad zu meinem Termin. Die Kollegin, mit der ich das Treffen zur Vorbereitung einer Veranstaltung vereinbart hatte, war von meiner Anfahrt beeindruckt. Ich auch ein bisschen! 🙂

Sie selbst sagte, sie würde viel häufiger den Zug nutzen – jedoch fehle es zum Teil an der Zuverlässigkeit der Fahrten. Und wenn man dann eine Fernreise vor sich hat und bereits am Startpunkt scheitert, so dass ein Umsteigen in die Fernzüge am nächstgelegenen großen Bahnhof unmöglich wird, greift man doch wieder auf das Auto zurück. Dies entsprach auch einigen Kommentaren auf Twitter zu meinem Post über diese Dienstreise.

Als besonders angenehm habe ich es dann auch empfunden, für die Rückfahrt nur die Fahrradzeit einzuplanen, ohne noch ein Taxi abwarten zu müssen. Nach 10 Minuten stand ich wieder am Gleis und wartete auf den Zug. Alles ganz easy, oder?

Die Rückfahrt lief ähnlich glatt. Dieses Mal trat aber ein, was ich schon morgens befürchtet hatte: Der Wagen mit Fahrradplätzen hielt doch ein ganzes Stück entfernt und mit dem Rad konnte ich mich nicht an den anderen Reisenden vorbeidrängeln. Letztendlich war aber genug Zeit um inkl. Rad einzusteigen. Ich denke, dass man bei mehr Routine auch etwas gelassener wird; sagte mir zumindest ein Zug-Radprofi, mit dem ich ins Gespräch gekommen war.

Mein Fazit? Gern!

Ich kann nur sagen, mir hat es gefallen! Zunächst war es – wie immer  beim Verlassen der Komfortzone – einfach ungewohnt und es hat sich nicht alles sofort selbst erklärt. Aber ich hatte mir ja eine Gelegenheit ausgesucht, bei der ich das leicht ausprobieren konnte. Gegenüber der Variante Mietwagen habe ich ca. 20 € gespart, ganz zu schweigen vom Umweltaspekt. Zeitlich habe ich ca. 20 Minuten länger gebraucht – denn auch den Mietwagen hätte ich ja abholen und wieder abgeben müssen. Das Fahrradfahren zur Arbeit ist für mich sowieso ein sehr guter Weg, um in Bewegung zu kommen – denn auch ich kann mich abends schwer nochmal vom Sofa aufrappeln. Die Bilanz ist für mich auf jeden Fall positiv!  Für Termine in der Nähe, die mit der Regionalbahn bewältigt werden können, würde ich das jederzeit wieder machen.

Für Fahrten mit dem Fernverkehr sehe ich da noch ein paar Hürden. Noch lange nicht haben alle Fernzüge Fahrradabteile. Die Plätze müssen gebucht werden. Damit ist Flexibilität nicht möglich, wenn Termine zum Beispiel länger dauern. Herausfordernd dürfte es auch werden, wenn man umsteigen muss. Gerade bei Terminen in Berlin wäre das Fahrrad eine super Unterstützung, um Kosten und Zeit zu sparen. Wenn es auf der Strecke Bielefeld – Berlin dann auch irgendwann ICEs mit Fahrradabteil gibt, wäre diese Variante für mich nicht mehr ausgeschlossen. Denn: Wer regelmäßig Rad fährt, möchte dann auch gerne sein eigenes nutzen und keine Leihräder. Und schließlich: Auch die Buchung ist nicht so einfach. Die Verbindungssuche speziell für Züge mit Fahrradabteilen gibt es, sie ist aber leider extrem gut versteckt.

Da sehe ich deutlichen Entwicklungsbedarf.

Habt ein schönes, Wochenende, vielleicht mit eurem Rad!
Auf bald,
Birgit

 

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