Bereits zum zweiten Mal fand vom 26. bis 27. März 2015 die Dreiländertagung Betriebliche Gesundheitsförderung – dieses Mal in Bregenz – statt. Die Digitalisierung stand im Fokus als Ursache für Veränderungen die Mitarbeitergesundheit betreffend. Sowohl positiv als auch negativ. Die Frage war: Wie werden wir damit umgehen?

Die Tagung hatte den Titel „Gesunde neue Arbeitswelt – Herausforderungen und Strategien für die Betriebliche Gesundheitsförderung und die psychosoziale Gesundheit“. Vor allem drei Referenten hatten die Themen Gesundheit und neue Entwicklungen am Arbeitsmarkt als Thema (Folien zu den Vorträgen hier). Es referierten Frau Prof. Dr. Antje Ducki von der Beuth Hochschule für Technik Berlin, Herr Prof. Dr. Jörg Flecker von der Universität Wien sowie Herr Prof. Dr. Bertolt Meyer von der Technischen Universität Chemnitz.

Inwieweit bringt Digitaliserung Veränderung

Gemeinsam war allen Vorträgen die Erläuterung, inwieweit die Digitalisierung die Arbeit verändert, also wie vor allem Abläufe zu geänderten Arbeitsbedingungen führen. Die körperliche Belastung könne inzwischen gut durch technische Neuerungen (z. B. Exoskelette) gesenkt  werden bzw. ganz wegfallen, stattdessen seien aber die psychischen Belastungen das Problem (s. Gesundheitsmonitor, Bertelsmann Stiftung) erläuterte Prof. Meyer. Als Ursache dafür nannte Prof. Ducki, dass Arbeitnehmer „multiplen Entgrenzungsszenarien“ ausgesetzt seien, die einfach aus der neuen Arbeitsweise resultierten, so dass Arbeitsplatz und andere Lebenwelten immer mehr miteinander verschwämmen

Als guten Ansatz empfand ich dabei den Ansatz von Herrn Prof. Flecker, der die Vielfalt der verschiedenen Arbeitsplatzprofile hervorhob. Es gäbe nicht mehr nur „gute“ oder „schlechte“ Jobs. Jedes Profil habe seine eigenen Anforderungen, die zu unterschiedlichen Belastungen führten. Als Kriterien für die Unterschiedlichkeit der Profile wurden Einkommen, berufliche Aussichten, Arbeitszeitqualität, Physische Belastungen, Psychische Beanspruchung sowie die Häufigkeit physischer und psychischer Risiken genannt. Diese seien je nach Profil unterschiedlich ausgeprägt.

Druck in vielen Bereichen

Beispielsweise sei bei einer Reinigungskraft die körperliche Belastung stärker ausgeprägt, gleichzeitig entstünde aber auch Druck durch die weniger gute allgemeine Lebenssituation (das geringe Einkommen und die Sorge darum, den Job auch zu behalten). Anders sei man in „guten Jobs“ durch ständigen Bewährungsdruck und die Verschmelzung der Arbeit mit den anderen Lebensbereichen ebenfalls stark unter psychischem Druck.

Es war dann sehr erleichternd, neben den doch sehr negativen Szenarien, bei denen man sich als Arbeitnehmer den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgesetzt sah, den Satz von Frau Prof. Ducki zu hören: „Die Entgrenzung an sich ist nicht das Problem, entscheidend ist, wie man damit umgeht“, und appellierte damit an die Eigenverantwortung. Die Gestaltungschancen müssten genutzt werden. Als Beispiel nannte sie dafür „Doing Familiy“. Inzwischen könnte man als Familie das Leben mit Smartphones sehr viel besser organisieren und trotz örtlicher Abwesenheit über einen Facetime-Call mit einem Blick in die Augen der Kinder erkennen, ob wirklich alles in Ordnung ist.

Identifikation mit dem Arbeitgeber

Die Vorträge waren, wenn sie auch grob in die gleiche Richtung gingen, sehr interessant und wiesen doch immer andere Aspekte auf, die sehr zum Nachdenken anregten. Prof. Meyer wies beispielsweise auf die Identifikation mit dem Arbeitgeber als Möglichkeit hin, den negativen Einflüssen zu begegnen („Ich kann nicht glauben, dass ich diese trivialen Zusammenhänge immer wieder aufzeigen muss.“)

Die Sicht auf die Unternehmen selbst kam mir insgesamt etwas zu kurz. Während die tatsächlichen Veränderungen durch technischen Fortschritt in ihren Konsequenzen gleich dreimalig aufgefächert wurden, gab es nur wenige Blicke in Richtung Unternehmen und wie diese mit den Trends umgehen können – auch um ihre Mitarbeiter zu schützen. Man hatte ein wenig den Eindruck, die Digitalisierung „passiert uns“ und wir können lediglich als Individuum einen Umgang damit versuchen.

Es hat mich auch ein wenig erstaunt, dass in den Austauschforen, die immer wieder stattfanden und so den Teilnehmern immer wieder einen regen Austausch ermöglichten, das Thema Digitalisierung keine Rolle mehr spielte. Im Kern ging es in den konkreten Gesprächen viel um die jeweils gesetzlichen Hintergründe in den drei Teilnehmerländern und wer mit welchen Projekten die besten Erfahrungen gemacht hat.

Diese Tagung zeigte sehr gut, welche Bedeutung das Thema Digitalisierung faktisch im Arbeitsalltag einnimmt und voraussichtlich einnehmen wird. Allerdings wurde über sehr viele unabänderliche Fakten gesprochen, die häufig negativ dargestellt wurden. Positive Impulse kamen eher selten, Unternehmen waren nicht als Akteure im Fokus.  Da war es dann ein Lichtblick, wenn die Referenten immer wieder versuchten, den Teilnehmer die Chancen und Einwirkungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ich glaube, nun müssen dringend die Unternehmen mit an den Tisch, damit gemeinsam über reine Technisierung hinaus gestaltet werden kann.

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