Klimawandel und das Aussterben der Arten bedrohen unsere Lebensgrundlagen. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten dazu umfassendes Wissen aufgebaut. Warum handeln Politik und BürgerInnen dann aber nicht in ausreichendem Maße? Was hält uns von der nachhaltigen Transformation ab?

Wissenschaft und die politische Ökonomie

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schwierig es ist, wissenschaftliche Erkenntnisse, die zu eindeutigen politischen Maßnahmen führen müssten, auf Dauer aufrecht zu erhalten, auch wenn deren Wirkung wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen ist. Die politische Ökonomie übt einen immensen Druck auf die politischen EntscheiderInnen aus, Kurzfristigkeit vor Langfristigkeit zu setzen. Zudem werden die notwendigen politischen Maßnahmen stets durch die Brille der Präferenzen nur der eigenen WählerInnen bewertet. Dies alles sind keine neuen politikwissenschaftlichen Erkenntnisse; die Pandemie hat sie uns aber nochmals stärker ins Gedächtnis gerufen und damit zu der Frage kommen lassen, wie ein politisches Jahrhundertprojekt wie der Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität jemals bewältigt werden soll. Denn: Die Themen Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität leiden gleich unter mehreren ungünstigen Konstellationen.

Strukturelle und kommunikative Herausforderungen bei „Nachhaltigkeit“ und „Biodiversität“

Der Schaden, der dadurch entsteht, dass der Klimawandel eintritt und die Arten aussterben, ist nicht unmittelbar spürbar und durch die Wählenden erfahrbar. Dies liegt teilweise an der Abstraktheit (Was bedeutet das Aussterben vieler Amphibienarten im Regenwald für meinen Alltag?), dem temporären Charakter der Probleme (Hitzewellen treten „nur“ vorübergehend auf), dem diskretionären Verlauf (Steigerung der Durchschnittstemperatur um Zehntelgrade) oder auch der fehlenden monetären Bewertung der Schäden (so z.B. die Negierung der Schäden, die durch die Nutzung des Autos entstehen: Die gesellschaftlichen Kosten des Autofahrens).

Der Nutzen einer erfolgreichen Politik ist wegen des langjährigen Abbremsens beider Entwicklungen im Falle politischer Maßnahmen noch sehr viel weniger zu vermitteln. Den Wählenden zu vermitteln, dass die übernächste noch nicht geborene Generation von unseren Entscheidungen profitieren wird, ist eine schwer zu lösende Aufgabe. Die scheinbaren „Kosten“ von Klimaschutz und Artenerhalt – z.B. CO2-Steuer, höhere Fleischpreise – treten im Gegensatz dazu aber ganz aktuell schon auf.

Eine weitere Herausforderung ist die Komplexität der Wechselwirkungen gleichzeitig auftretender globaler Megatrends. Ursache-Wirkungs-Relationen sowohl bei den Problemen als auch bei den politischen Maßnahmen sind nicht in gewohnter Weise zu erkennen oder herzustellen. Selbst die Wissenschaft stößt hier oftmals noch an ihre Grenzen (In einem Vorgängerprojekt hatte ich aus diesem Grund mal eine Landkarte der Wechselwirkung der Megatrends initiiert). Dies stellt politische EntscheiderInnen vor immense Herausforderungen, ist doch ihre politische Kommunikation auf Klarheit und lineare (Mono-) Kausalität zugeschnitten. Das Zeitalter der einfachen Wahrheiten ist aber vorüber.

Klimaschutz und Biodiversität: Was lernen wir aus der Corona-Pandemie?

Die Corona-Pandemie hat uns das erste Mal die Herausforderung eines global gleichzeitig auftretenden existenziellen Problems vor Augen geführt. Es waren weltweit politische Koordination vonnöten, es gab einen Wettbewerb der politischen Systeme in der Bewältigung des Problems, es gab keine weltweit koordinierende Instanz, politische Opportunitäten und sehr stark divergierende politische Kulturen haben ein einheitliches abgestimmtes Vorgehen verunmöglicht.

Was lernen wir aber nun aus der Corona-Pandemie für die Bekämpfung des Klimawandels und des Artensterbens?

  1. Wissenschaft wird der Kompass der nächsten Jahrzehnte in Zeiten der Klimakatastrophe und des Artensterbens sein.
  2. Wissenschaft sollte Kommunikation nicht als notwendiges Übel sondern als absolute Grundvoraussetzung für die Beratung politischer EntscheiderInnen betrachten. Die kommunikativen Pandemie-Vorbilder aus dem Bereich der Wissenschaft, Christian Drosten und Prof. Karl Lauterbach, haben uns gezeigt, wie eine solche faktenbasierte Kommunikation ausgestaltet sein könnte.
  3. Politische EntscheiderInnen sollten lernen anzuerkennen, dass es naturgesetzliche und physikalische Logiken gibt, die sich nicht darum kümmern, was in den eigenen Parteiprogrammen steht. Oder anders ausgedrückt: Man kann mit der Natur keinen politischen Kompromiss aushandeln.
  4. Wir alle sollten gemeinsam darauf achten, ob politische Extreme versuchen, aus der Komplexität der Sachlage und der Unsicherheit der Wählenden einen populistisch motivierten kurzfristigen Nutzen zu ziehen.
  5. Und wir müssen uns täglich in unserem Wirken und Arbeiten vor Augen führen, dass die Krisen, die sich aus dem Klimawandel und dem Artensterben ergeben, demokratiegefährdend sein könnten.

Vom metakulturellen Diskurs zum gemeinsam getragenen Narrativ

Wir müssen lernen, miteinander und nicht übereinander zu reden. Der Internet-Vordenker Gunter Dueck hatte in seinem vielbeachteten #rp17-Vortrag über den metakulturellen Diskurs diese Notwendigkeit des gegenseitigen Verstehens von Begrifflichkeiten im Zuge gesellschaftlicher Debatten in absolut sehenswerter Weise dargelegt. Wir müssen in der politischen und zivilgesellschaftlichen Debatte lernen, einen Meta-Standpunkt einzunehmen, um von persönlichen Wertewelten zu abstrahieren und damit fähig zu sein, den politischen Wettbewerber in dem besser zu verstehen, was dieser mit der Nutzung von Kernbegriffen der Nachhaltigkeitsdebatte bezweckt.

Die Nachhaltigkeits-Debatte (in Deutschland) der letzten Jahre ist geprägt von einer Polarisierung, die sich sowohl durch Fachdebatten (So z.B. die Debatte um Klimaschutz und Inflation mit Michael Hüther und Marcel Fratscher), durch NGOs, durch einzelne Parteien (bspw. bei der SPD: Klimaschutz und Bergbau), durch Familien und durch die Medien zieht. Debatten an sich gehören zum Grundwesen der Demokratie. Problematisch wird es allerdings, wenn basale Erkenntnisse der Wissenschaft infragegestellt werden, wenn die Existenzberechtigung einer anderen Meinung kritisiert wird, wenn die Debatte nur zum Ziel hat, über eine vermeintliche Themenorientierung das demokratische System an sich auf den populistischen Prüfstand zu stellen, wenn eine Minderheitenmeinung droht, die Existenz der Menschheit auf das Spiel zu setzen – alles im Austausch dafür, dass man sein eigenes umweltschädigendes Verhaltens in keinster Weise hinterfragen möchte („Die Verleugnung der Klimakrise“).

Unsere nächsten Schritte

Wir werden uns im Rahmen unseres Projektes daher in den nächsten Monaten ausführlich der Analyse der Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschland in den letzten 7 Jahren widmen. Wir sind der Meinung, dass wir mit der Erstellung einer Diskurs-Landkarte (Themen, Akteure, Debatten) und mit der Erarbeitung eines konsensual getragenen Nachhaltigkeits-Narrativs (Über die Bedeutung von Narrativen haben wir einen Podcast mit Prof. Michael Roos von der Ruhr-Universität Bochum produziert) einen kleinen Beitrag dazu leisten können, die Debatte in Zukunft etwas zu versachlichen, um im Sinne aller Menschen eine nachhaltige Transformation voranbringen zu können.

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